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StadtgesprächAffen und Vergewaltiger

Finsterer Rassismus wird in Südafrika wieder freizügiger geäußert. Dank der sozialen Medien fällt das auf

Martina Schwikowski aus Johannesburg

Die Beurlaubung ließ nicht lange auf sich warten. Richterin Mabel Jansen kann ihren Job am obersten Gerichtshof in Pretoria ruhen lassen. Die südafrikanische Richterin hatte sich auf Facebook darüber ausgelassen, dass in Anklagen wegen Vergewaltigung von Kindern 99 Prozent der Beschuldigten schwarze Männer seien. Viele der Opfer seien nicht einmal fünf Jahre alt. „Sie machen es mit ihren eigenen Kindern, Schwestern, Nichten. Betrifft das auch Weiße – irgendwie – denn wir nehmen für alles die Schuld auf uns?“, fragte Jansen. Ihre eigene Antwort: Die Neigung zu Gewalttaten und insbesondere Vergewaltigungen seien ein Attribut der „schwarzen Kultur“.

Dieser Satz ging zu weit. Er wurde diese Woche öffentlich. Prompt reagierten nicht nur verärgerte Leser, sondern auch die Regierungspartei, die frühere schwarze Befreiungsbewegung ANC (Afrikanischer Nationalkongress), wurde aktiv. Auch die größte Oppositionspartei, die früher weiße und nun multiethnische DA (Demokratische Allianz), wollte die Richterin nicht mehr im Amt. Sie musste gehen.

Hasskommentare gegen die blonde Richterin häufen sich in den sozialen Medien, aber Jansen nimmt ihre Behauptungen nicht zurück. Auch liefert sie keine Entschuldigung. Sie verteidigt sich: „Ich habe nicht verallgemeinert.“ Sie habe lediglich auf die ihr vorliegenden Fälle hingewiesen. Da seien zu 99 Prozent männliche Schwarze die Täter. Doch die zart ausschauende Richterin gibt zu, die Kontroverse habe sie erschüttert. Zumal gerade ihr Ehemann in Großbritannien verstorben sei.

Mabel Jansen arbeitet seit drei Jahren am Gericht in Pretoria. Sie sagt, sie habe Hilfe für Opfer gesucht und sich mit ihren Kommentaren an eine Aktivistin und Filmemacherin gewandt: eine Weiße, verheiratet mit einem Schwarzen. Die hat sich wiederum ein Jahr Zeit gelassen, die Facebook-Unterhaltung an die Öffentlichkeit zu bringen. Sie konnte die Heuchelei der Gesellschaft nicht länger ertragen, hieß es.

Es ist ein etwas merkwürdiger Fall, aber Tatsache ist: Südafrika leidet unter täglichem Rassismus – auch 22 Jahre nach Ende der Apartheid. Allerdings hat sich die Debatte verlagert: Sie ist öffentlicher als früher. Wichtiges Instrument dabei sind die sozialen Medien. Südafrikaner twittern und posten leidenschaftlich gern und sind wie bei vielen anderen Dingen auch bei der Wortwahl nicht zim­perlich. Die Sensibilität gegenüber Rassismus ist gewachsen, aber auch die Folgen solcher Äußerungen, die früher den privaten Raum nicht verließen, sind heute größer. Auch die Richterin dachte, ihre Einträge auf Face­book hätten keine Folgen.

Sie nicht die Einzige, die das jetzt lernen muss. Ein junger Weißer namens Matthew Theunissens beschimpfte letzte Woche Sportsminister Fikile Mbalula auf Facebook als „Kaffer“ – die alte Apartheidbezeichnung rassistischer Weißer für angeblich minderwertige Schwarze. Der Minister hatte vorgeschlagen, wichtige Rugby-Turniere nicht auszutragen, solange die Schwarz-Weiß-Quoten in den Mannschaften nicht erreicht sind. Jetzt beschäftigt sich die Menschenrechtskommission mit dem Vorfall.

Schon Anfang des Jahres gab es großen Aufruhr, als Penny Sparrow, eine weiße Immobilienmaklerin in KwaZulu-­Natal, schwarze Strandbesucher als „Affen, die auf öffentliche Strände losgelassen werden“, bezeichnete. Ein schwarzer Student namens Ntokozo Qwabe wiederum verweigerte im April einer weißen Kellnerin das Trinkgeld und hinterließ stattdessen einen Zettel, auf dem stand, erst müssten Südafrikas Weiße das „gestohlene Land“ an Schwarze zurückgeben.

Wenn Rassismus sich wieder im Alltag festigt, ist Südafrika nicht wirklich frei – daran erinnert nun David Mahlobo, Minister für Staatssicherheit, dessen Eltern einst vor der Apartheid flohen und der im Exil in Jugoslawien aufwuchs. „Das ist eine schmerzliche Erinnerung an die Vergangenheit und sorgt für tiefe Spannungen und Konflikte in allen Aspekten des sozialen Lebens“, sagte der ANC-Minister. Und es drohe die Gefahr eines Sicherheitsrisikos.

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