Stadtgespräch: Gelassen im Schlamm
Dank El Niño versinken die tiefer gelegenen Straßen Nairobis im Matsch. Die Menschen nehmen‘s mit Gleichmut
Ilona Eveleens aus Nairobi
Die alten Holzmasten aus den Tagen der kupfernen Telefonleitungen lehnen mit jedem Regentag gefährlicher über die Kisembe-Straße. Niemand macht was gegen die Gefahr. Nicht die Bewohner der Häuser entlang der Straße, auch nicht die Stadtbehörden. Jeder scheint zu warten, bis sie von alleine umkippen und hoffentlich keinen verwunden.
Schon vor einigen Monaten wurden Kenias Einwohner vor heftigen Regenfällen durch das Phänomen El Niño gewarnt. Dieses ist die Folge der Erwärmung des Stillen Ozeans, in manchen Regionen der Erde herrscht Dürre und in anderen fällt zu viel Regen. Kenia fällt in die nasse Kategorie.
Arbeiter entfernten Büsche, Gras und Berge von Abfall aus den Abwasserkanälen entlang der Straßen der Hauptstadt Nairobi. Aber viel Regen und ab und zu Sonne lassen alles wieder schnell wachsen, und Nairobier können sich nicht daran gewöhnen, dass Abfall im Mülleimer landen soll und nicht auf der Straße. So sind die Kanäle schnell wieder voll – und wegen El Niño entstehen Überschwemmungen.
„Warum soll ich meine leere Plastikwasserflasche nach Hause tragen. Jeder wirft doch Müll auf die Straße. Man kann mir doch keine Verantwortung für Überschwemmungen n die Schuhe schieben“, sagt Julia Macharia, eine Sekretärin. So wie sie denken die meisten.
Nairobi ist eine hügelige Stadt mit unzähligen Kreisverkehren. Sie sorgen schon in normalen Zeiten für riesige Staus, weil kein Autofahrer den Durchgang frei hält. Viele Kreisverkehre liegen in den tieferen Teilen der Stadt, und in der Regenzeit werden sie zu runden Teichen, in denen manches Auto stecken bleibt und für Chaos sorgt. Die Feuerwehr wird zum Pumpen gerufen – aber sie steckt oft selbst stundenlang in den Staus.
„Aufregen hilft nicht. So sind wir nun mal. Wir treten nicht in Aktion, wenn ein Problem droht, sondern erst, wenn es wirklich da ist“, bemerkt ein Autofahrer, der seinen Motor ausgemacht hat und mit einem Regenschirm ein Stück vorgelaufen ist, um die Lage zu übersehen.
„Meine Frau will wissen, wann ich nach Hause komme. Sie kann ja nicht ewig mein Abendessen aufwärmen.“
Die meisten Nairobier allerdings laufen zur Arbeit. Die Kunst ist, neue Schleichwege zu entdecken, um die Märsche von oft mehr als einer Stunde etwas abzukürzen. Aber die Abkürzungen sind oft Pfade, die jetzt im Schlamm versinken. Menschen in Slippern stelzen durch den schwarzen Matsch, versinken immer wieder bis über die Knöchel.
Der junge Ngugi, der auf einer Baustelle arbeitet, zuckt mit den Schultern. Geld für Gummistiefel hat er nicht. „Füße kann ich waschen, es gibt ja reichlich Wasser. Schlimmer ist, dass alles in meinen Zimmer feucht ist. Auch mein Bett. Was ich auch mache – ich kriege es nicht trocken.“
El Niño wird womöglich noch bis Februar für kräftigen Regen sorgen. Die Nairobier nehmen es gelassen.
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