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Stadtführung in BerlinNeue Wege querstadtein

Durch Neuköllns Nahen Osten. Der Stadtteil aus der Perspektive eines Geflüchteten, der im September 2015 nach Deutschland kam.

Ein alter Mann in der Nogatstraße im Neuköllner Kiez Foto: imago/Rolf Kremming

Sonntag 14 Uhr am S-Bahnhof Neukölln in Berlin. Die Bahn rattert über die Brücke, ringsum Imbissbuden, Shisha-Bars, Läden mit Matratzen oder türkischen Hochzeitskleidern. Vor einem der Geschäfte haben sich 14 Leute unterschiedlichen Alters versammelt. Sie sind aus anderen Stadtvierteln und dem ganzen Bundesgebiet gekommen, um an einer Stadtführung von Mohamed Khalil teilzunehmen. Zwei Stunden wird ihnen der Syrer Neukölln zeigen. Sein Neukölln.

Das sind nicht die hippen Szenelokale, in denen sich junge Spanier und Italiener tummeln. Auch nicht Institutionen wie der Heimathafen Neukölln oder die Neuköllner Oper. Nein, der 22-Jährige aus Aleppo zeigt den Stadtteil aus der Perspektive eines Geflüchteten, der im September 2015 nach Deutschland kam.

Da ist das kleine Haus in einem Hinterhof der Karl-Marx-Straße, das einmal Moschee war und viele geflüchtete Familien aufnahm. Vorbei am Imbissrestaurant Shaam – der arabische Name für Damaskus – geht es zum Rathaus, vor dem in den Asphalt eingemeißelt ist, wie sich die Bevölkerung von Neukölln zusammensetzt. Inzwischen sind die Zahlen der Menschen, die hier Migrationshintergrund haben oder aus dem Nahen Osten kommen, viel höher, weiß Mohamed und zitiert die aktuellen Statistiken.

Zwischendurch erzählt er von seiner Flucht aus dem kurdischen Afrin. Wie er über die Türkei, Griechenland und die Balkanroute nach Salzburg gelangte, wo er zu Fuß über die Grenze lief und schließlich in Berlin landete. Auch die Geschichte der Kurden, zu denen seine Familie gehört, wird thematisiert. Nicht als Leidensgeschichte. Dazu ist Mohamed viel zu optimistisch und lebensfroh.

Nachdem er in den letzten drei Jahren um die hundert Stadtführungen für den Verein Querstadtein gemacht hat, der sich in Berlin und Dresden auf die Spuren von Geflüchteten und Obdachlosen begibt, konnte er nicht nur sein Budget aufbessern. Er hat auch sein Deutsch so weit perfektioniert, dass ihm die Sprache beim Maschinenbaustudium die wenigsten Probleme bereitet. Seine Führungen versteht er als Liebeserklärung an Berlin.

„Ich finde die Stadt sehr gemütlich. Hier kann sich keiner fremd fühlen“, ist er überzeugt. Wenn er doch mal Heimweh hat, geht er, der inzwischen im Bezirk Marzahn wohnt, in die Sonnenallee. „Das ist die arabische Straße schlechthin“, erklärt er.

Ich finde die Stadt sehr gemütlich. Hier kann sich keiner fremd fühlen

Mohamed Khalil

Das können auch die Teilnehmer der Führung überprüfen, wenn Mohamed ihnen Zettel mit arabischen Schriftzügen in die Hand drückt, die sie dann in der Straße suchen sollen und auf unzähligen Schildern entdecken können. Zwischendurch verrät er natürlich auch, welches sein Lieblingsrestaurant ist.

Der gemeinnützige Verein Querstadtein organisiert regelmäßig Stadtführungen in Berlin und Dresden aus ungewöhnlicher Perspektive. Es führen Geflüchtete und Obdachlose. Die Führungen dauern ca. zwei Stunden und kosten 13 Euro, ermäßigt 8,50 Euro.

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