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StadtentwicklungFestival gegen Mietenwahn

Das Netzwerk "Recht auf Stadt" befürchtet eine weitere Mietenexplosion nach dem neuen Mietenspiegel und macht für den Herbst mit einer Demo mobil. Davor wird gefeiert.

Neues Fest, ähnliches Konzept: Das Schanzenfestival soll so unabhängig organisiert werden wie das Schanzenfest - aber krawallfrei bleiben. Bild: dpa

HAMBURG taz |In Hamburg wird es im Herbst ein zweites Schanzenfest geben - genauer gesagt: ein Schanzenfestival. Musikgruppen werden am 15. Oktober bei einem Open-Air Konzert vor der Roten Flora auftreten, um für die für den 29. Oktober angekündigte Demonstration des Netzwerks "Recht auf Stadt" gegen den "Mietenwahnsinn" zu mobilisieren. Kurz zuvor wird von der Stadtentwicklungsbehörde der neue Mietenspiegel veröffentlicht, den Hausbesitzer und Vermieter erfahrungsgemäß gern nutzen, um die Mietkosten nach oben zu treiben.

Obwohl das Schanzenfestival dem Organisationsprinzip des Schanzenfestes folgt - es wird von den Anwohnern, Mieterinitiativen und dem Netzwerk "Recht auf Stadt" selbst organisiert und deshalb gibt es auch keine förmliche Anmeldung - gehen die Organisatoren entspannt in die Vorbereitung. "Das Festival ist völlig auf Deeskalation ausgerichtet", sagt einer der Organisatoren. Neben Musik werde es viele Redebeiträge zur Situation auf dem Wohnungsmarkt und zur Gentrifizierung geben. Einige Musikgruppen hätten ihre Teilnahme bereits zugesagt.

Die Organisatoren hoffen, dass die Polizei - ähnlich wie beim Schanzenfest - besonnen mit der Veranstaltung umgeht und von sich aus den Autoverkehr absperren wird. Da das Schanzenfestival nicht kommerziell ausgerichtet sein soll, rechnen die Organisatoren auch nicht damit, dass erlebnisorientiertes Partyvolk angelockt wird, das das Festival als Anlass für Krawalle nutzen könnte. "Es wird eine friedliche kulturelle Demonstration mit anschließender Fete in der Roten Flora", sagt ein Insider.

Dass der neue Mietenspiegel mit Sorge zu erwarten ist, davon geht auch Sylvia Sonnemann vom Verein "Mieter helfen Mietern" aus. "Es wird schlimm", prophezeit die Juristin, obwohl der Mietenspiegel zurzeit noch Geheimsache sei. Schon jetzt verzeichne "Mieter helfen Mietern" drastische Mietsteigerungen bei Neuvermietungen. Und auch bei energiepolitischen Maßnahmen wie Wärmeisolierungen zeigten die Vermieter wenig Hemmungen, die Miete deutlich anzuheben. "Allein für eine Styropor-Isolierung der Außenwand verlangt ein Vermieter plötzlich 3,50 Euro mehr pro Quadratmeter", berichtet Sonnemann aus ihrer Praxis.

Für das Netzwerk "Recht auf Stadt" ist der Mietenspiegel ein Vorwand, um weiter an der "Mietenspirale" zu drehen. "Die wild zusammengeschusterte, angeblich wissenschaftliche und neutrale Berechnungsbasis des Mietenspiegel führt stets zu weiteren Erhöhungen der Vergleichsmieten", sagen die Netzwerk-Aktivisten.

Der Mietenspiegel, einst gedacht als Instrument, um die Situation der Mieter zu erleichtern und zu verbessern, "ist zu einem Instrument der finanziellen Ausbeutung geworden", sagen die Akteure. Da der Bedarf an zentralen Wohnraum ständig steige, bedürfe es einer drastischen Wende in der Wohnungspolitik, erklärt die "Arbeitsgemeinschaft Mieten" im Netzwerk. "Wohnraum ist für uns keine Ware, sondern ein öffentliches Gut, das wir zum Leben brauchen", sagen deren Vertreter und machen sich für eine Vergesellschaftung stark. "Wohnraum muss dem profitorientierten Markt entzogen und allen Menschen zur Verfügung gestellt werden."

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12 Kommentare

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  • T
    tiger

    Die Karrieristen mit "Recht auf Stadt" können nun ja ölocker die so kreativitätsfördernde Elbphilharmonie bezahlen. Für die wird sie schließlich gebaut.

    Un nicht für die, deren Förderprogramme der Senat kürzt.

  • H
    Hugo

    Die Erfolge der Recht auf Stadt Bewegung sind eher marginal, dafür bekam Hamburg ein besonderes Image als "Recht auf Stadt" Hochburg. Für wen das "Recht", die ärmeren Mieter_innen zu vertreiben, realisiert wird ? In manchen Stadtteilen sind es die jungen dynamischen Kleinfamilien mit Karriereplänen und (noch) gesicherten Einkommen, die dann mal gerne bei Ikea einkaufen für ihre praktische Wohneinrichtung.

  • D
    daswois

    Stimmt es, dass man dieses mal der ganzen Gentrifizierung Rechnung trägt, und von dem, dann ganz apart, vom Country-Club-geStyletem Balkon, dann von einer Golfrange ebensolche Bälle dann wegschlagen kann, so Abschlag üben und so weiter?

  • E
    Einstein2

    PS: ich seh jetzt auch gar nicht so viel schicke Leute in Anzügen vermehrt auftreten. Eher an-ge-alternativte oder angehipsterte untere oder obere Mittelschicht aus ganz Deutschland. Kann auch sein, dass die sich bischen verkleiden, um nicht als Gentrifizierer aufzufallen, und schön im "flippig"-uniformen Stro mitzuschwimmen.

  • E
    Einstein2

    "Wohnraum muss dem profitorientierten Markt entzogen und allen Menschen zur Verfügung gestellt werden."

     

    Ok - aber wer kriegt dann die Schanzen-Altbauwohnung oder das Eppendorfer Stadthaus, und wer muss nach Rahlstedt oder Wilhelmsburg? Wird das dann ausgeknobelt oder korrupt ausgekungelt oder bauen wir dann Hochhäuser in die Schanze, damit da auch alle hinkönnen, die wollen? Der Markt ist ungerecht und zerstörerisch, aber welcher Verteilungsmodus soll ihn bei Wohnraum ersetzen?

     

    Und warum wollen denn alle in St. Pauli oder der Schanze bleiben oder da hin, wo diese Viertel doch inzwischen völlig steril aufgehübscht und totgesäubert und von Touristen überlauen sind? Wo bleibt denn da die Kreativität? Das sind doch alles nur noch gelebte Klischees. Warum nicht mal Suburbs? "Nö, ich muss schon da hin, wo seit 15 Jahren alle sind/hinwollen, weil, ähm, meine spezielle Kreatvität da noch fehlt und ich nur da wie ein Mensch leben kann. In die anderen Viertel können ja die anderen ziehen". Wäre es nicht so, wären die Mieten hier nicht so.

  • WR
    Weiße Rose

    Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gipfelt in Wuchermieten und Sklavenlöhnen. Daran wird sich kaum etwas ändern, solange wir uns nicht endlich der Verteilungsfrage von Vermögen und Einkommen ernsthaft annehmen.

  • T
    tiger

    Die Karrieristen mit "Recht auf Stadt" können nun ja ölocker die so kreativitätsfördernde Elbphilharmonie bezahlen. Für die wird sie schließlich gebaut.

    Un nicht für die, deren Förderprogramme der Senat kürzt.

  • H
    Hugo

    Die Erfolge der Recht auf Stadt Bewegung sind eher marginal, dafür bekam Hamburg ein besonderes Image als "Recht auf Stadt" Hochburg. Für wen das "Recht", die ärmeren Mieter_innen zu vertreiben, realisiert wird ? In manchen Stadtteilen sind es die jungen dynamischen Kleinfamilien mit Karriereplänen und (noch) gesicherten Einkommen, die dann mal gerne bei Ikea einkaufen für ihre praktische Wohneinrichtung.

  • D
    daswois

    Stimmt es, dass man dieses mal der ganzen Gentrifizierung Rechnung trägt, und von dem, dann ganz apart, vom Country-Club-geStyletem Balkon, dann von einer Golfrange ebensolche Bälle dann wegschlagen kann, so Abschlag üben und so weiter?

  • E
    Einstein2

    PS: ich seh jetzt auch gar nicht so viel schicke Leute in Anzügen vermehrt auftreten. Eher an-ge-alternativte oder angehipsterte untere oder obere Mittelschicht aus ganz Deutschland. Kann auch sein, dass die sich bischen verkleiden, um nicht als Gentrifizierer aufzufallen, und schön im "flippig"-uniformen Stro mitzuschwimmen.

  • E
    Einstein2

    "Wohnraum muss dem profitorientierten Markt entzogen und allen Menschen zur Verfügung gestellt werden."

     

    Ok - aber wer kriegt dann die Schanzen-Altbauwohnung oder das Eppendorfer Stadthaus, und wer muss nach Rahlstedt oder Wilhelmsburg? Wird das dann ausgeknobelt oder korrupt ausgekungelt oder bauen wir dann Hochhäuser in die Schanze, damit da auch alle hinkönnen, die wollen? Der Markt ist ungerecht und zerstörerisch, aber welcher Verteilungsmodus soll ihn bei Wohnraum ersetzen?

     

    Und warum wollen denn alle in St. Pauli oder der Schanze bleiben oder da hin, wo diese Viertel doch inzwischen völlig steril aufgehübscht und totgesäubert und von Touristen überlauen sind? Wo bleibt denn da die Kreativität? Das sind doch alles nur noch gelebte Klischees. Warum nicht mal Suburbs? "Nö, ich muss schon da hin, wo seit 15 Jahren alle sind/hinwollen, weil, ähm, meine spezielle Kreatvität da noch fehlt und ich nur da wie ein Mensch leben kann. In die anderen Viertel können ja die anderen ziehen". Wäre es nicht so, wären die Mieten hier nicht so.

  • WR
    Weiße Rose

    Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen gipfelt in Wuchermieten und Sklavenlöhnen. Daran wird sich kaum etwas ändern, solange wir uns nicht endlich der Verteilungsfrage von Vermögen und Einkommen ernsthaft annehmen.