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Stadt München gegen Steinläuse e.V.

■ Bürgermeister Kronawitter und Innenminister Stoiber gegen Wohnraumvergabe an die Steinläuse

München (taz) — An selbstverwalteten Wohn- und Sozialprojekten in München möchte die bayerische Polizei in Zukunft mitplanen. Die neue Zuständigkeit der Sicherheitsbehörden begründet der Münchner Polizeipräsident Roland Koller jetzt in einem Schreiben an die Stadt damit, daß „ein selbstverwaltetes Projekt eine große Anziehungskraft auf die autonome Szene ausüben“ würde. Als Beispiel nannte er ein geplantes kollektives Wohnmodell des „Münchner Wohnforums“ in der Orleansstraße 65. Das Wohnforum ist eine Modellmaßnahme des 3. europäischen Programms zur Armutsbekämpfung. Es vermittelt Wohnraum an einkommensschwache Gruppen und organisiert mit den BewohnerInnen nicht kostensteigernde Sanierungen. Mitfinanzierer des Wohnforums und Eigentümer der Orleansstraße 65a ist die Stadt.

Ein Vorgeschmack auf die Folgen der neuen Regelung lieferte jetzt der Sicherheitschef der Stadt, Hans-Peter Uhl (CSU), sowie Bayerns Innenminister Edmund Stoiber: Uhl verbreitet in der Öffentlichkeit „Erkenntnisse“ der Sicherheitsbehörden über den Verein „Steinläuse e.V.“, darunter Daten aus laufenden Verfahren und Vorwürfe, mit denen die Staatsanwaltschaft vor Gericht gescheitert war.

Bayerns Innenminister Edmund Stoiber (CSU) droht mit kommunalrechtlichen Folgen, sollte die Landeshauptstadt den Steinläusen e.V. Räume für 22 obdachlose Jugendliche überlassen. Die Steinläuse hatten im Februar im Vorfeld der bayerischen Kommunalwahlen die Orleansstraße kurzfristig besetzt, um mit Transparenten auf die in München leerstehenden Häuser aufmerksam zu machen. Diese politische Aktion benutzen nun Uhl, Stoiber und der Münchner Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD), um die Steinläuse als Kriminelle zu diffamieren. Obwohl Kronawitter den Jugendlichen vor den Landtagswahlen eine Nutzung der leerstehenden Wohnungen zusicherte, meint er jetzt, daß Nutzungen „durch Hausbesetzer oder ihnen nahestehende Kreise in keinem Fall“ möglich wären.

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