Stadionbann für Frauen im Iran: Tödlicher Kampf
Der Suizid einer Frau, die nicht mehr wollte, als Fußball live im Stadion zu sehen, erschüttert die Sportwelt. Was die Fifa jetzt tun sollte.
S ahar Khodayari ist tot. Am Montag erlag sie den schweren Brandverletzungen, die sie erlitten hat, nachdem sie sich am 2. September mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen und selbst angezündet hatte. Sie kam gerade aus einem Gerichtsgebäude, in dem sie erfahren hatte, dass man vorhat, sie zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten zu verurteilen. Was die 29-Jährige verbrochen hat? Sie hat im März versucht, als Mann verkleidet das Azadi-Stadion von Teheran zu betreten, um ein Fußballspiel ihres Lieblingsklubs Esteghlal zu besuchen.
Frauen ist es im Iran seit 1979 verboten, Männerfußballspiele im Stadion zu verfolgen. Dieser Bann hat nun ein Todesopfer gefordert. Die Fußballwelt ist schockiert. Auf Twitter macht der Hashtag #BanIRSportsfederations Karriere. Mit ihm fordern vor allem Iraner den Ausschluss ihres Landes aus der Welt des internationalen Sports. Der Kampf um gleichberechtigten Zugang zu Stadien hat eine neue Dimension erreicht.
Die Fifa wird seit Jahren von Aktivistinnen bearbeitet, Druck auf den Iran auszuüben. Ihr Argument: Der Frauenbann verstößt gegen die Antidiskriminierungsregeln, die sich die Fifa in ihrem Statut selbst verordnet hat. Demnach dürfte der Iran am internationalen Fußballzirkus nicht teilnehmen, solange er Frauen den Zutritt zu Männerspielen untersagt.
Windelweiches Fifa-Ultimatum
Fifa-Präsident Gianni Infantino hat sich zunächst vom iranischen Satatspräsidenten Hassan Rohani einlullen, sich mit leeren Versprechungen abspeisen lassen. Der freute sich über den naiven Sportfunktionär und lächelte in die Kameras, als der ihm ein blaues Fußballtrikot mit Fifa-Wappen überreicht hat. Als Erfolg galt dann schon, das zu zwei Fußballspielen, einem Länderspiel gegen Bolivien und dem Finale der Asiatischen Champions League, ein paar handverlesene Frauen auf die Tribüne gelassen wurden.
Als dann im Juni wieder Frauen verhaftet wurden, weil sie zu einem Länderspiel ins Stadion wollten, schien es der Fifa zu bunt zu werden. Infantino setzte einen Brief auf und stellte dem Verband eine Art Ultimatum bis zum 15. Juli. Nichts ist geschehen. Das Ultimatum wurde bis zum 31. August verlängert. Jetzt gibt es eine Zusage aus dem iranischen Sportministerium, dass zum WM-Qualifiaktionsspiel des Iran gegen Kambodscha am 10. Oktober ein paar Frauen ins Stadion dürfen. Für alle anderen Spiele bleibt der Bann in Kraft – auch für Sahar Khodayaris Herzensverein Esteghlal.
In einem für Medieninformationen bestimmten Twitterkanal äußerte die Fifa am Dienstagabend ihr Bedauern über den Tod der Fußballanhägerin. „Wir wiederholen unsere Forderung an die iranischen Behörden, die Freiheit und Sicherheit aller Frauen zu gewährleisten, die sich in einem legitimen Kampf gegen das Stadionverbot engagieren“, heißt es da. Das darf nicht reichen. Es braucht mehr. Was? Ganz einfach: #BanIRSportfederations
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften