Staatsfinanzen: Italien steht erstaunlich gut da

Zwar hat Italien einen Schuldenberg, der in der Euro-Zone Rekord ist – aber gleichzeitig nimmt das Land weniger neue Kredite als Großbritannien oder Frankreich auf.

Italiens Finanzminister Tremonti im Gespräch mit Wolfgang Schäuble. Bild: ap

ROM taz | Gehört Italien nun zu jenen Wackelkandidaten, die womöglich gleich das ganze schöne Europageld in Gefahr bringen - oder doch nicht? Muss Italien sich in einem Atemzug mit Portugal, Griechenland, Spanien nennen lassen, "allesamt Länder, die unsolide gewirtschaftet haben", wie Professor Dirk Meyer unlängst in einem Focus-Interview meinte?

Zwei gewichtige Gründe sprechen dafür: Da ist zum einen eine schwerwiegende Ziffer: 116 Prozent. So hoch war im Jahr 2009 der Schuldenberg des italienischen Staates gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) - in der Eurozone der Rekord. Und dann ist da noch die Geschichte. Nicht nur Ökonomen, sondern auch ganz gewöhnliche Menschen wissen schließlich seit Jahrzehnten, dass Italien geradezu das Paradebeispiel des "unsolide" wirtschaftenden Landes war: mit seiner Weichwährung Lira, die alle paar Jahre abgewertet werden musste, mit Inflationsraten, die oft zweistellig waren, mit aus dem Ruder laufenden Staatsschulden.

Dennoch verfolgt Italiens Öffentlichkeit seltsam ungerührt die Debatte über die schwachen Euroländer. Selbst Beniamino Lapadula, Wirtschaftsexperte beim italienischen Gewerkschaftsbund CGIL und gewiss kein Freund Berlusconis, sieht eine Regierung am Werk, die "man höchstens dafür kritisieren kann, dass sie in der jetzigen Krise allzu solide gewirtschaftet hat".

In der Tat betätigt sich Schatzminister Giulio Tremonti als eiserner Sparkommissar. Im Jahr 2009 wendete der italienische Staat gerade einmal zusätzliche Mittel in Höhe von 0,2 Prozent des BIP für auf Stimulierung der Konjunktur gerichtete Maßnahmen auf; nennenswert ist eigentlich bloß die Abwrackprämie. Staatliche Investitionsprogramme oder Steuersenkungen, um die Nachfrage anzukurbeln? Fehlanzeige. Tremonti erwidert jedes Mal bloß trocken, dafür sei "kein Geld da".

Der vorsichtige Kurs schlug sich bei der Neuverschuldung nieder. Mit einer Höhe von etwa 5 Prozent des BIP im letzten Jahr liegt Italien gleichauf mit Deutschland - und weit besser als Frankreich, Großbritannien oder eben auch die schwachen Euroländer mit ihren Schuldenziffern im zweistelligen Bereich. Und selbst die Altlast der über die Jahre aufgehäuften öffentlichen Schulden von 116 Prozent solle man nicht überbewerten, meint Lapadula. Sie ist Zeuge einer Vergangenheit in den Siebziger- und Achtzigerjahren, als Italien sich eine jährliche Neuverschuldung von mehr als 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erlaubte - doch sie ist keinesfalls eine Kennziffer des aktuellen Wirtschaftens.

Andererseits sind Italiens Privathaushalte die wohl solidesten Europas: Die gesamte private Verschuldung liegt bei 34 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. In Deutschland sind es 63 Prozent, in Spanien 83 Prozent und in Großbritannien 100 Prozent. Eine Folge davon ist: Niemand in Italien fürchtet zum Beispiel das Platzen einer Immobilienblase - die 80 Prozent der italienischen Familien, die in einem Eigenheim oder einer Eigentumswohnung leben, haben in den meisten Fällen ihre Bleibe schon abbezahlt.

Zudem sind Italiens Banken kaum exponiert: Am großen Rad des Derivategeschäfts hatten sie kaum mitgedreht - und so gab es keine bedrohliche Schieflagen. Massive Staatsinterventionen waren nicht zu sehen, und die von Minister Tremonti aufgespannten Rettungsschirme für die Banken blieben fast völlig ungenutzt.

Nein, Italien ist gegenwärtig keine Gefahr für den Euro - doch gerade in der Krise hat das Land massiv von der europäischen Gemeinschaftswährung profitiert. Keiner in Rom wagt sich auszumalen, was wohl gewesen wäre, wenn das Land mit seiner alten Lira der globalen Krise ausgesetzt gewesen wäre: massive Spekulationen gegen die Lira, heftige Abwertungen, in die Höhe schießende Zinsen und damit ein bis zur Pleite explodierendes Staatsdefizit wären wohl unweigerlich die Folge gewesen.

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