St. Pauli schlägt Gladbach: Die Stirn geboten
Gegen den Tabellenletzten aus Mönchengladbach baut der FC St. Pauli mit einem 3:1-Sieg seine Erfolgsserie aus und lässt die Fans vom ersten Derby-Sieg gegen den HSV träumen.
Die Schlüsselszene des Spiels ereignete sich nach 21 Minuten: Matthias Lehmann hatte den Ball und seinen Gladbacher Gegenspieler Igor de Camargo rustikal weggefegt, das runde Leder nahms klaglos hin, de Camargo nicht. Wutschnaubend kam der Brasilianer auf den ihm die Stirn bietenden Lehmann zu, der nach einem leichten face-to-face-Kontakt wie vom Blitz getroffen zusammensackte. Die Folge: Schiedsrichter Wolfgang Stark verwarnte Lehmann für sein Foul und schickte de Camargo für die vermeintliche Kopfnuss vom Platz.
Ob Lehmanns schauspielerische Einlage als Cleverness oder als grobe Unsportlichkeit bewertet werden sollte, darüber gingen die Meinungen der 24.487 Zuschauer am Millerntor auseinander. "Ich habe das Geschenk angenommen, das gehört einfach zum Profi-Fußball", sagte der Hamburger Mittelfeldspieler nach der Partie während Gladbachs Trainer Michael Frontzeck die "Dummheit" seines hinausgestellten Akteurs rügte, sich auf eine solche Provokation einzulassen. Fortan in Unterzahl verlor Borussia Mönchengladbach jede spielerische Ordnung und sollte bis zum Ende der Partie keine einzige Torchance mehr herausspielen.
Dabei hatte es für den Tabellenletzten aus Gladbach bis zu diesem Zeitpunkt gut ausgesehen. Die Hamburger wirkten bei winterkalten Temperaturen wie eingefroren, fanden zunächst nicht ins Spiel und luden die Gladbacher auch noch zur Führung ein. Nach neun Minuten bediente Linksverteidiger Moritz Volz, der für den verletzten Bastian Oczipka ins Team gerückt war, mit einem Katastrophen-Rückpass den Gladbacher Mike Hanke. Der bediente de Camargo, der keine Probleme hatte, den Ball aus kurzer Distanz zur Gladbacher Führung ins Tor zu schieben. "Nach so einem Bock möchtest du dich einbuddeln", gestand Volz später, doch der gefrorene Boden ließ diesen Akt der Selbstgeißelung nicht zu, so dass "Volzy" fortan hoch motiviert mitstürmte und zu seiner bislang besten Saisonleistung fand.
Die Gäste, die 20 Minuten lang forsch gekontert hatten, fanden hingegen in Unterzahl keine Entlastung mehr. Angetrieben von Lehmann, Max Kruse und Gerald Asamoah schnürte St. Pauli die sich in ihrer eigenen Hälfte versteckenden Gladbacher ein. Das tiefstehende vielbeinige Gladbacher Abwehrbollwerk wankte, fiel aber erstmals nach 38 Minuten. Einen klugen Asamoah-Pass in den Strafraum nahm Kruse an und drosch die Kugel zum Ausgleich ins Netz.
Auch in der zweiten Halbzeit rollte der St. Pauli-Express unaufhörlich auf den von Christofer Heimeroth gehüteten Gladbacher Kasten zu, erspielte Chance um Chance, während der zu Tatenlosigkeit verurteilte Hamburger Torhüter Thomas Kessler sein komplettes Warmmachprogramm abspulen konnte.
Nach 53 Minuten bediente Finn Bartels Charles Takyi mit einem gefühlvollen Heber, der den Ball Asamoah so gefühlvoll in den Lauf schob, dass dieser nur noch den Fuß hinhalten musste, um die Führung zu erzielen. Fünf Minuten später war es dann Lehmann vorbehalten die Entscheidung und den 3:1-Endstand zu erzielen. Von Kruse mit einem perfekten Diagonalpass über 35 Meter freigespielt, zeigte der Mittelfeldregisseur, dass er nicht nur mit Köpfchen rote Karten provozieren sondern auch mit dem Fuß aus größerer Distanz in die Maschen treffen kann.
Nach zwei Unentschieden und zwei Siegen hat das in diesem Jahr noch unbesiegte Team vom Millerntor sich auf Rang zwölf der Tabelle ein erhebliches Polster zur Abstiegszone geschaffen. Gladbach taumelt derweil der zweiten Liga entgegen, alsKonsequenz aus dem verlorenen Kellerduell trennte sich der Verein noch am Sonntagabend von Trainer Frontzeck.
"Das war das wichtigste Spiel der Vereinsgeschichte", ordnete St.Paulis Sportchef Helmut Schulte den Erfolg zielsicher ein, um einen Blick voraus auf das Stadt-Derby gegen den HSV am Mittwoch zu werfen: "Und nun folgt das wichtigste Spiel der Vereinsgeschichte." Seit über 33 Jahren wartet St. Pauli auf einen Erfolg gegen den großen Rivalen - eine Durststrecke, die nun endlich ihr Ende finden soll.
Eine harte Konsequenz aus dem verlorenen Kellerduell auch Borussia Mönchengladbach. Der Verein trennte sich am Sonntagabend von Trainer Frontzeck.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag