St. Pauli-Liebe von Uli Hoeneß: Vom Finanzzocker zum Genossen
Was treibt Uli Hoeneß nur in die Arme des FC St. Pauli? Jetzt kauft der Ehrenpräsident des FC Bayern sich auch noch ein Stück Kiezklub.
K äme man auf die zugegebenermaßen wilde Idee, die Lebensläufe von Oke Göttlich und Ulrich Hoeneß nebeneinanderzulegen, man würde kaum Übereinstimmungen finden. Das Jahr 2014 ist in beider Vita ein einschneidendes: Während der eine wegen nicht ganz so legalen Steuertricks sein Präsidenten-Sein erst mal ruhen lassen muss, steigt der andere vom Fan zum Klub-Chef auf.
Elf Jahre später sitzen der Fußball-Weltmeister und der ehemalige taz-Redakteur an einem Tisch und lassen sich bei der Besiegelung eines Deals fotografieren: Mit einem handelsüblichen Kuli sichert sich der Bayern-Big-Boss Anteile am Piratenfußballverein FC St. Pauli.
Der meldet daraufhin mäßig freibeuterisch formuliert: „Der FC St. Pauli freut sich, mit seinem Modell auch den Ehrenpräsidenten des Rekordmeisters überzeugen zu können. Bei allen Unterschieden zwischen den Clubs ist das Verhältnis von Respekt geprägt. Auch die Freundschaft zwischen den Ultragruppen zeigt, dass es entscheidend sei, nicht Unterschiede zu betonen, sondern Gemeinsamkeiten.“
Braunes Shirt über blaues Hemd
Hoeneß ist einer von bislang 19.000 Genossen, die mit ihren Anteilen eine Mehrheit am Millerntor-Stadion erwerben. Bisher wurden Anteile im Wert von mehr als 23 Millionen Euro gezeichnet. Das Geld soll den Klub schuldenfrei machen und in bessere Infrastruktur investiert werden.
Prima Sache, nur: Was treibt den nachweislichen Finanzzocker vom Lago di Bonzo erneut in die Arme des Kiezklubs? Das Bedürfnis nach der Rettungsaktion vor 22 Jahren – der FC Bayern kam zum Freundschaftskick und überließ dem notleidenden Drittligisten die 200.000 Euro Einnahmen –, wieder als Retter gefeiert zu werden? Damals würgte sich Mr FC Bayern das braune Retter-T-Shirt über das hellblaue Business-Hemd, diesmal sieht das schwarze T-Shirt mit der Aufschrift „Jetzt Genoss*In werden!“ kein Gramm besser aus über dem himmelblauen Langarmhemd.
Aber egal, der medienwirksame Deal war nur ein Nebenprodukt des Treffens, wie Göttlich vor dem Spiel in München erzählte. Es ging vielmehr um die Notwendigkeit von Regulierungen: Kaderobergrenzen, Multi-Club-Ownership-Grenzen, ein Salary Cap gemessen am Gesamtumsatz, solche Dinge. Mei, und wenn gerade ein Kuli rumliegt, kann man sich ja mal eben ein Stück Kiezklub kaufen. Wer es schon immer mal wie Uli Hoeneß machen wollte: Noch bis Montag können Genossenschaftsanteile gezeichnet werden.
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