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„Spritztouren“ für Bäume sind zu teuer

■ Bezirke haben kein Geld, um die Wässerung der 396.000 Straßenbäume zu bezahlen / Für die Bäume ist es Herbst: Wegen der Trockenheit werfen sie Laub ab

Der Berliner liebt „det Jrüne“. Doch für die meisten der rund 396.000 Berliner Straßenbäume hat bereits Anfang August der Herbst begonnen. In den Kronen spielt der Wind mit welkem Laub, und auf den Gehwegen wirbeln abgefallene trockene Blätter umher. Die seit Wochen anhaltende Hitze macht den durstenden Gehölzen arg zu schaffen.

Um so betrüblicher ist es, daß den bezirklichen Naturschutz- und Grünflächenämtern zum Gießen Geld fehlt. Zumeist erhalten nur junge Bäume oder Bestände wie in der Straße Unter den Linden und im Tiergarten das lebenswichtige Naß. Im vergangenen Jahr waren noch Polizei und Stadtreinigung (BSR) mit Wasserwerfern beziehungsweise Sprühwagen unterwegs. „Doch in diesem Jahr hat uns von den Bezirken noch kein Hilferuf ereilt“, sagt eine Polizeisprecherin. Bei der BSR weiß Pressesprecher Bernd Müller genau, warum: „Die Bezirke sehen sich außerstande, das Wasser und die Fahrzeuge zu bezahlen, und wir können auch nichts verschenken.“

Im Grünflächenamt Mitte ist der amtierende Amtsleiter Klaus Model froh, nur 900 Bäume gießen zu müssen. Diese Gehölze sind noch keine fünf Jahre im Boden und bedürfen bei der Wärme besonderer Pflege. Ältere Exemplare dagegen hätten genug Wurzeln und könnten sich selbst versorgen. Zum Glück, denn „Spritztouren“ für diese Bäume seien nicht finanzierbar. Trotz des derzeit unansehnlichen Zustands der Straßenbäume befürchten die Experten kaum größere Schäden. Zwar können die Bäume erst wieder im nächsten Frühjahr ihre grüne Pracht voll entfalten, doch haben sie im feuchten Frühjahr genug Reserven angelegt. „Außerdem ist die Grundwassersituation noch recht günstig“, betont Gunter Heitmann, in der Senatsumweltverwaltung zuständig für Straßenbäume. „Daß Bäume ihre Blätter jetzt abwerfen, ist eine Schutzreaktion. Damit wird die Verdunstung reduziert, die Bäume vertrocknen nicht.“ Ökologisch wertvoll im aufgeheizten Stadtklima sind die Bäume dann allerdings nicht mehr. Nun müßten eigentlich die Berliner zur Gießkanne greifen und Baumpatenschaften übernehmen, wie das Naturschutz- und Grünflächenamt Friedrichshain an die Bürger appelliert hat. Ein „erwachsener“ Baum benötigt etwa 100 bis 150 Liter Wasser pro Tag zum Überleben. Jüngere Exemplare kommen mit 30 Litern aus. Jürgen Tentscher von der Baumschutzgemeinschaft Berlin e.V. rät, abends zu gießen. Dann verdunstet das Wasser nicht so schnell. Er hofft, daß auch viele Hausmeister mal den Hahn aufdrehen und die Mieter einmal nicht ganz so streng auf die Wasserkosten schauen. Immerhin seien die Bäume für die Bürger das ganze Jahr da, meint Tentscher. Holger Lunau, dpa

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