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Sportler im UkrainekriegTrauer und Protest

Fast 600 ukrainische Sportler wurden im russischen Angriffskrieg getötet. Fifa und IOC arbeiten dennoch an der Rückkehr Russlands in den Weltsport.

Mahnendes Mural: Gedenken an den erschossenen Leichtathleten Gawriljuk Foto: Juri Konkewitsch

Luzk taz | Seit einem Jahr ist Roman Gawriljuk nun tot. Der Leichtathletiktrainer ist an der Front gefallen. Gawriljuk, der seinen Dienst bei den Grenztruppen versah, wurde von den Kugeln eines russischen Spähtrupps in den Rücken geschossen. Er war Profisportler, Trainer des Triathlonverbandes und ukrainischer Meister im 100-Kilometer-Lauf. Gawriljuk verpasste seinen 42. Geburtstag um anderthalb Monate.

Zur Trauerfeier in der Kathedrale von Luzk fanden sich unzählige Bekannte und Sportler ein. Gawriljuk arbeitete mit vielen von ihnen als Lauf- und Triathlontrainer. An seinem Geburtstag veranstalteten Freunde im größten Park von Luzk einen Wohltätigkeitslauf zu seinem Gedenken. Dann wurde in einem Stadion in Luzk ein Wandgemälde zu seinen Ehren angebracht.

Gawriljuk ist einer von fast 600 ukrainischen Sportlern, die von den russischen Aggressoren getötet wurden. Er ist auch nicht der einzige Sportler aus Luzk, der an der Front sein Leben verloren hat. Im November 2023 starb Roman Godowanyj, ein ehemaliger Verteidiger des FC Volyn in der ukrainischen Premier Liga, nach einer Granatenexplosion. Er spielte auf der rechten Abwehrseite, links verteidigte Roman Maximjuk. Der war ein erfahrener Kicker, der bei Dnipro und um die Jahrtausendwende in Russland bei Zenit St. Petersburg gespielt hat. 2022 hat der ehemalige Nationalspieler seine Karriere in Luzk beendet, um in den Krieg zu ziehen. Im Februar wurde bekannt, dass Maximjuk an der Front vermisst wird.

Bis März 2025 sind genau 591 Sportler und Trainer von der russischen Armee getötet worden. 22 befinden sich in Gefangenschaft und 11 werden vermisst. 725 Sportanlagen wurden durch russische Angriffe beschädigt oder zerstört, darunter 17 Trainingsstützpunkte. Diese Zahlen veröffentlichte das ukrainische Außenministerium auf X und verwies darauf, wie Russland den Sport für Propagandazwecke missbraucht. So sollen 10 der 15 russischen Athleten, die bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris unter neutraler Flagge antraten, entweder öffentlich den Krieg unterstützen oder mit dem Militär in Verbindung stehen.

Olympische Chancen für Russland

„Russland hat im internationalen Sport keinen Platz, solange es seine Gräueltaten gegen die Ukraine nicht einstellt“, erklärte das Außenministerium. Diese Stellungnahme erfolgte kurz nach der Wahl von Kirsty Coventry am 20. März zur neuen Präsidentin des Internationalen Olympischen Komitees. Coventry hatte im März angekündigt, Gespräche über eine mögliche Rückkehr Russlands zu den Olympischen Spielen aufzunehmen: „Ich würde gern eine Arbeitsgruppe einrichten, die versuchen soll, einige Strategien und Leitlinien zu erarbeiten, die der olympischen Bewegung als Entscheidungshilfe dienen können, wenn wir in Konflikte hineingezogen werden.“

Gianni Infantino, der Präsident des Internationalen Fußballverbands Fifa, äußerte sich ähnlich. Während des Kongresses der Europäischen Fußballunion Uefa im April in Belgrad sprach er über die Rückkehr Russlands in den internationalen Fußball. „Ich hoffe, dass wir bald ein neues Kapitel aufschlagen und Russland wieder in die Fußballlandschaft integrieren können. Dafür müssen wir beten, denn Fußball bedeutet nicht Spaltung, sondern Einheit“, sagte der Fifa-Boss und löste damit in der Ukraine einen Sturm der Entrüstung aus.

Noch dazu gedachte die Uefa bei ihrem Kongress bei der Ehrung großer Fußballpersönlichkeiten, die im Jahr 2024 verstorben sind, auch dem Russen Alexej Bugajev, der an der Front in der Ukraine gestorben ist. In der Hoffnung auf Straferlass war er wie Zehntausende andere Straftäter der russischen Besatzungsarmee beigetreten.

Das kam in der Ukraine ebenso schlecht an wie die Weigerung des Verbands, der 35 Einwohner von Sumy zu gedenken, die am 13. April bei einem russischen Raketenangriff getötet wurden. Am 15. April bestritt die ukrainische Futsal-Mannschaft im polnischen Koszalin gegen Rumänien ihr letzte Qualifikationsspiel zur EM. Die Ukraine, WM-Dritte 2024, gewann 3:1 und qualifizierte sich für die EM, doch für Gesprächsstoff sorgte die Schweigeminute, die das ukrainische Team in Absprache mit dem Team Rumä­niens nach dem Anstoß dann doch abgehalten hat.

Um mögliche Sanktionen zu vermeiden, ehrten die Mannschaften das Andenken der während des Spiels Getöteten. Einen Tag danach zerstörte die russische Armee die Eisarena von Cherson mit vier Fliegerbomben.

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5 Kommentare

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  • Ich finde, man sollte hier klar unterscheiden, zwischen Sport und Politik. Die russischen Spitzensportler können wohl gar nichts dafür, dass ihr Staatsoberhaupt ein Tyrann ist und können sich auch nicht gegen ihn stellen oder öffentlich Kritik üben, ohne sich selber massiv in Gefahr zu bringen. Die russischen Sportler sind Menschen, die völlig unverschuldet in diese Situation gekommen sind und sie sollten nicht für die Taten von Putin bestraft werden.



    Zudem muss ich Infantino Recht geben, Sport verbindet Menschen und das kann auch für Frieden sorgen.

    • @Micha.Khn:

      "Die russischen Spitzensportler können wohl gar nichts dafür, dass ihr Staatsoberhaupt ein Tyrann ist..."



      Wie kommen Sie denn auf das schmale Brett? Russische Spitzensportler sind Russen:Innen und legitimieren den russischen Überfall auf die Ukraine genauso wie (fast) jeder/e andere Russe/in. Wäre ja eine ganz neue Lesart, dass die damaligen Nazideutschen gar keine Nazis waren und nichts dafür konnten, dass Hitler ein Tyrann war.



      Allein die Vorstellung, dass Vertreter:Innen eines Verbrecherregimes u.a. gegen ukrainische Sportler:Innen antreten, wäre unerträglich.

      • @Demokratischer Segler:

        "Russische Spitzensportler sind Russen:Innen und legitimieren den russischen Überfall auf die Ukraine genauso wie (fast) jeder/e andere Russe/in."

        Wie kommen Sie auf diese pauschale Aussage, dass Russen diesen Krieg legitimieren würden? Nur weil sie nicht auf der Strasse gegen Putin demonstrieren? Sie wissen genau, warum das nicht der Fall ist.



        Die pauschale Gleichsetzung von Russen zu Nazideutschen ist zudem extrem verachtend.

        Nochmals, was kann denn ein Spitzensportler, der sein ganzes Leben an hart an seiner Karriere arbeitet dafür, dass momentan leider gerade ein A.. Präsident ist? Null und nichts. Und er kann auch nichts dagegen unternehmen.

  • Solange durch russische Soldaten Menschen ermordet, vergewaltigt und verschleppt werden, haben russische Sportler und Sportlerinnen nichts im internationalen Sport zu suchen. In meinen Augen wäre das eine Legitimierung des russischen Völkermords. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass die erst wieder an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürften, nachdem Putin nach Den Haag ausgeliefert wurde. Die Beendigung des Ausschlusses wäre eine direkte Legimation des Völkermords!

    Eine Ausnahme würde ich machen, das betrifft Sportler und Sportlerinnen aus Russland, die sich offen gegen den russischen Terror stellen, allerdings werden die nicht teilnehmen können, da sie fürchten müssten auf den Veranstaltungen vom Geheimdienst ermordet oder verschleppt zu werden.

    Im Tennis dürfen die ja schon länger wieder mitmachen, dadurch macht sich der Verband zum Mittäter des Terrorkriegs. Dafür habe ich nur Verachtung übrig.

    • @Truhe:

      Welche Reaktionen gab es auf die verbrecherischen Kriege der USA in Vietnam, Irak etc.? Welche US-Athleten wurden dafür bei Olympia oder WM ausgeschlossen?