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Sporthalle revisited

Bland on Bland: Bob Dylan auf „Never Ending World Tour“ in Hamburg.  ■ Von Georg Felix Harsch

1965, beim Newport Folk Festival, gab es noch den großen Aufschrei, als Bob Dylan anfing, elektrische Gitarre zu spielen. Wann genau aber der Zeitpunkt war, an dem seine Konzerte exorbitant teuer wurden, hat im selbstverständlichen Ablauf der Dylan-Maschine niemand mehr mitbekommen. Mit Eintrittspreisen ab 100 Mark ist sein heutiger Auftritt in der Alsterdorfer Sporthalle also mit Abstand das kostspieligste (einschlägig) einigermaßen interessante Konzert in dieser Stadt seit langer Zeit. So viel zur konkreten Verbraucherinformation.

Einfach war der Umgang mit Dylan noch nie, schon gar nicht hierzulande. Eine willkürliche Aufzählung von Ergebnissen deutscher Dylan-Rezeption mutet visualisiert wie eine Alptraum-Revue an: Der volksdeutsche Musiklehrer, der seine fünfte Klasse im direkten Anschluss an „C-A-F-F-E-E“ „Blowing in ße vint“ singen lässt, Carl Weissners bis heute in einem dicken Buch erhältliche Übersetzungen von Dylan-Texten, die sich teilweise lesen, als seien sie von einem angetrunkenen Jugendpastor verfasst worden, und auch Mundart-Nachdichtungen á la „Wolfgang Nie-decken singt Bob Dylan“ tauchen noch auf.

Viele solcher Erscheinungen beruhen, wie auch der Vorschlag für den Literatur-Nobelpreis, wohl schlicht auf einem Missverständnis in der Pop-Rezeption. Als Vehikel und Objekt einer bildungsbürgerlichen Legitimierung von Popmusik waren Dylans Songs schon seit den frühen 60er Jahren instrumental in der Konstruktion dessen, was sich heute in Deutschland als kulturelles Kapital für den Herrschaftsanspruch der sogenannten Neuen Mitte zeigt.

Der Beweis, dass Bob Dylan ein großer Lyriker sei, den in den 70er Jahren so viele junge Akademiker erbringen wollten, hat sich hoffentlich erübrigt. Denn irgendwie ist es heute ja okay, Popmusik gut zu finden. Das Interessanteste an diesen Kanonisierungsversuchen waren auf jeden Fall die entlarvenden Gegenreaktionen, die sie zeitigten. Wie die des Antisemiten Martin Walser, der Ende der 70er Jahre fragte, was denn an „diesem herumzigeunernden Israeliten“ so interessant sei.

Das Spannende an Free Wheelin' Bob war schließlich der Sound, den er bis Mitte der 70er Jahre produzierte. Sein Verdienst bleibt die Fusion britischer Beat-Klänge mit amerikanischem, damals noch nicht so genanntem Roots Rock, der Proto-Punkrock von „Highway 61 revisited“, und die frühen Amerikana-Impulse, die er zum Beispiel mit Desire gab. Das hat vor ein paar Jahren mal Knarf Rellöm erkannt und gezeigt, dass auch „zu spät“ noch rechtzeitig sein kann.

Impulse sind aber etwas vergängliches. Stil- und Geschmackssicherheit Dylans verdunsteten im Nebel der Christianisierung, und die Stadionisierung zementierte schließlich den Ritualcharakter von Dylan-Auftritten für Personal und Publikum. Lediglich das unverständliche Gemurmel zwischen den Songs und die häufige Weigerung, als sein eigener Cover-Act aufzutreten und das Best-Of-Programm abzuspielen, hat Dylan vor der Lächerlichkeit anderer alter Männer im selben Geschäft bewahrt.

Und weil sein letztes reguläres Album Time out of Mind bisweilen klingt wie ein durchschnittliches Produkt der texanischen Amerikana-Szene, könnte man fürs selbe Geld auch fünf Mal ins Knust gehen und sich ebensolches anschauen. Oder warten, bis die „Never Ending World Tour“ mal wieder vorbeikommt. Oder eben doch hingehen.

heute, Einlass 19 Uhr, Beginn 20 Uhr, Alsterdorfer Sporthalle

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