Sport fördern oder Natur schützen: Bolzen statt Naturschutz
Der FC St. Pauli baut sein Trainingsgelände aus. Sportplätze sollen ausgerechnet im Überschwemmungsgebiet entstehen. Linksfraktion und BUND warnen.
Die Trainingsplätze sollen nach Willen des Vereins und der Stadt an der Kollaustraße entstehen. Andere Vereine, darunter die Baseballer:innen der Hamburg Stealers, sollen für das Vorhaben weichen und künftig andernorts trainieren.
Zudem sollen zwei der vier neuen Trainingsplätze mitten im Überschwemmungsgebiet der Kollau gebaut werden. Solche Flächen gibt es an Hamburger Fließgewässern dort, wo ein erhebliches Hochwasserrisiko besteht. Diese Uferflächen mit ihrer natürlichen Vegetation können bei Binnenhochwasser überschwemmt werden oder große Wassermassen nach Starkregen aufnehmen.
„Überschwemmungsgebiete sind mit besonderer Sorgfalt zu behandeln“, sagt Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion. Tatsächlich gelten für solche Flächen bauliche Einschränkungen, der Hochwasserschutz darf nicht gefährdet werden. Die Stadt ignoriere die Umweltrisiken, ist Jersch überzeugt.
Immerhin Naturrasenplätze geplant
In der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage Jerschs heißt es, es seien mehrere Standorte geprüft worden. Berechnungen hätten zudem gezeigt, dass die Nutzung der Fläche für den Sport das Retentionsvolumen, also die Kapazitäten zum Auffangen großer Wassermengen, nicht beeinträchtige. Da die Flächen an der Kollaustraße eine „gewachsene und traditionelle Nähe zur Vereinsidentität“ hätten, werde das Ziel verfolgt, den Ausbau wie geplant zu realisieren.
Christiane Blömeke, Vorsitzende des BUND Hamburg, zeigt sich der taz gegenüber empört: „Wir können nicht die Vereinsidentität höherwertig sehen als den Arten- und Naturschutz und die Funktion eines Überschwemmungsgebiets“. Es müssten ernsthaft alternative Standorte geprüft werden.
Christiane Blömeke, Vorsitzende des BUND Hamburg
Blömeke und Jersch ärgert, dass der Senat in seiner Antwort nicht preisgibt, welche Alternativen mit welchem Ergebnis geprüft worden sind. Das für das Bebauungsplanverfahren zuständige Bezirksamt Eimsbüttel teilt auf Anfrage mit, das Vorhaben werde nach aktuellem Stand als „grundsätzlich realisierbar“ eingeschätzt.
Welche Auswirkungen die Sportflächen darüber hinaus auf das Überschwemmungsgebiet haben können, wird laut Senat derzeit geprüft. Der FC St. Pauli teilt mit, dass die Plätze als Naturrasenplätze gebaut werden sollen. So kann immerhin verhindert werden, dass Schadstoffe, etwa durch den Abrieb von Kunstrasen, in das Gewässer gelangen.
Immerhin keine Kunstrasenplätze
Naturrasenplätze seien zwar verträglicher als Kunstrasenplätze, so Umweltschützerin Blömeke, „trotzdem ist es ein verkehrter Schritt, in Überschwemmungsgebieten Bautätigkeiten jeglicher Art vorzunehmen.“ Das sei auch immer ein Eingriff in den dortigen Naturhaushalt mit seiner Fluss- und Tierwelt.
In die Diskussion platzten jetzt auch die Ergebnisse einer Hochwassersimulation vom Landesbetrieb Gewässer und der Umweltbehörde. Dafür wurden die Niederschlagsdaten des Extremwetterereignisses im Ahrtal vom Juli 2021 anhand von Computermodellen auf Hamburger Gewässer übertragen. Im Gebiet der sieben Kilometer langen Kollau würden bei ähnlich hohen Niederschlagsmengen rund 33 Hektar zusätzliche Flächen unter Wasser stehen, als in bisherigen Szenarien angenommen.
Wegen einer anderen Geländebeschaffenheit der in Hamburg untersuchten Gebiete sei jedoch eine „weniger ausgeprägte Hochwasserdynamik mit geringeren Fließgeschwindigkeiten zu erwarten“, heißt es in einer Mitteilung der Umweltbehörde. Christiane Blömeke fordert, die Simulation vor dem Hintergrund der Gefahren des Klimawandels ernstzunehmen. „Der Senat setzt das falsche Zeichen, wenn er den Bau von Sportplätzen im Überschwemmungsgebiet nicht nur bewilligt, sondern sogar zur Chefsache macht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär