Sponsoring-Affäre um Rüttgers: Wüst aus dem Amt gekickt
Der CDU-Generalsekretär in NRW, Hendrik Wüst, muss nach seiner "Rent a Rüttgers"-Aktion gehen. Es steht der Vorwurf illegaler Parteifinanzierung im Raum.
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BOCHUM taz | Um 14 Uhr zog Jürgen Rüttgers die Notbremse: Der Ministerpräsident und Vorsitzende der CDU in Nordrhein-Westfalen hat seinen Generalsekretär Hendrik Wüst zum Rücktritt gezwungen. Wüst wird damit für seinen Versuch abgestraft, vertrauliche Gespräche mit dem Regierungschef an Sponsoren zu verkaufen.
Zuvor war Rüttgers immer weiter unter Druck geraten: Der Versuch des 34-jährigen Generalsekretärs, beim Landesparteitag der CDU im März Kontakte zum Regierungschef für 6.000 Euro zu vermarkten, war kein Einzelfall. Am Montag häuften sich Berichte, nach denen die CDU schon seit 2004 versucht, Gespräche mit ihren Entscheidungsträgern zu verkaufen. Laut WDR hätten Unternehmer bei einem "Zukunftskongress" der CDU schon vor der Regierungsübernahme für 14.000 Euro ein "Sponsoringpaket" erwerben können. Dies habe die Platzierung an einem "Top-VIP-Tisch" und eine Unterredung mit Rüttgers beinhaltet.
Auch nach dem Einzug in die Staatskanzlei 2005 bemühten sich die Christdemokraten weiter aggressiv um Sponsoren - und nutzten dabei offenbar das Amt des Regierungschefs. So meldete sich ein Entscheidungsträger eines kommunalen Unternehmens beim Tagesspiegel: Schon 2006 habe er sich gewundert, dass "man für eine fünfstellige Summe sogar am Tisch von Rüttgers platziert" wurde.
Zuvor berichtete der Spiegel, die CDU habe auch für den kommenden Landesparteitag in Münster solche "Partnerpakete" im Angebot. Für 20.000 Euro sollten die auch "Einzelgespräche mit dem Ministerpräsidenten und den Minister/innen" umfassen.
Der Rücktritt seines Generalsekretärs dürfte Rüttgers deshalb nur kurzfristig entlasten. Zwar weist der Ministerpräsident Vorwurf der Käuflichkeit entschieden zurück. Er habe von der jahrelangen aggressiven Werbung um Sponsoren nichts gewusst - und Wüst "sofort angewiesen", diese einzustellen. Dabei liegt der Grund für Wüsts unorthodoxe Form der Parteifinanzierung in Rüttgers' Wahlkampf 2005, mit dem der Christdemokrat die SPD nach fast 40 Jahren von der Macht verdrängte: Die Kampagne kostete statt der geplanten 3,7 Millionen fast fünf Millionen Euro und riss ein riesige Loch in die Finanzen der CDU.
Der Vorwurf der illegalen Parteifinanzierung steht daher im Raum. Der Parteienforscher Hans Herbert von Arnim sagt, der erkaufte Zugang zu Regierungsmitgliedern grenze "an Korruption". Von einer "verdeckten Form der Parteienfinanzierung" spricht auch Elmar Wigand von der Organisation Lobby Control. "Vordemokratische, feudalistische Sitten" habe Rüttgers im größten Bundesland etabliert, sagte Wigand der taz: "Der Bauer muss ein dickes Schwein mitbringen, um beim Fürsten Gehör zu finden." Bundestagspräsident Norbert Lammert bezeichnete das Angebot seiner Partei als "selten dämlich".
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