Spitzenspiel in der Fußball-Bundesliga: Der perfekte Karneval
Leverkusen zelebriert beim 3:0 über Bayern fußballerische Dominanz auf höchstem Niveau. Coach Xabi Alonso sucht danach sogar den Kontakt mit den Fans.
Auch in jenen erhebenden Momenten, als die meisten anderen Leverkusener sich im Zustand purer Fußballfreude verloren, konnte sich Xabi Alonso auf sein feines Gespür für die richtige Botschaft verlassen. Die an Karneval ohnehin besonders euphorischen Rheinländer feierten eine ebenso brillante wie sympathische Mannschaft, Torhüter Lukas Hradecky plante einen Altstadtbesuch in seinem Wohnort Düsseldorf, Robert Andrich sprach von einem „sehr perfekten Spiel“ der Werkself.
Und Alonso verzierte die Demonstration der eigenen Überlegenheit gegenüber dem FC Bayern München mit einer letzten kleinen Pointe. Erst mochte der 41 Jahre alte Spanier gar nicht auf die Bitte des Publikums eingehen, sich nach dem imponierenden 3:0-Sieg gegen die Münchner gemeinsam mit den Spielern vor der Nordkurve feiern zu lassen, dann entschloss er sich doch zu kommen.
Aber nicht alleine, sondern zusammen mit all seinen Assistenten, die die Mannschaft im Hintergrund betreuen. Mitarbeiter oben auf der Tribüne weinten beinahe vor Rührung, weil dieser Mann selbst im Moment seines bislang wohl größten sportlichen Triumphes als Trainer an alle und alles zu denken schien. Die Bayern hingegen zeterten und haderten – auch mit ihrem Chefcoach Thomas Tuchel, von dem nur selten diese Wärme ausgeht, die Alonso ausstrahlt.
Relevant war dieser Vergleich, weil dieses atemberaubende Duell der beiden besten Mannschaften der Liga nicht zuletzt zu einer Schlacht zweier Großmeister der Fußballtheorie geworden war, Alonso vs. Tuchel. Beide hatten sich spezielle und bislang völlig unerprobte Winkelzüge ausgedacht: Leverkusen trat ohne Nummer 9 an, Florian Wirtz beackerte die Räume im Sturmzentrum, und hinten rechts spielte der vom FC Bayern ausgeliehene Josip Stanisic überraschend für Jeremie Frimpong, der eigentlich immer gesetzt ist.
Bayerns neue Dreikette
Tuchel entschied sich derweil erstmals in dieser Saison für ein System mit Dreierkette und stellte den Winterneuzugang Sacha Boey auf, der noch nie einer Startelf der Münchner angehört hatte. Leverkusens Plan funktionierte bestens, während die Münchner sich nicht eine einzige Torchance erspielten und Tuchel ziemlich ratlos sagte: „Ich weiß jetzt nicht, warum wir es gar nicht geschafft haben, Harry (Kane) ins Spiel zu bringen.“
Eine mögliche Antwort hatte immerhin Thomas Müller, der genau wie Joshua Kimmich erst nach einer Stunde eingewechselt worden war, sprach wütend von „Symptomen“, als leide sein Team unter einer Krankheit, und erklärte: „Wir haben teilweise eine Verkopftheit in unserem Spiel.“ Im Training sei das Team in der Lage, Ideen zu entwickeln. Doch sobald die Wettkämpfe beginnen, gehe jede Leichtigkeit verloren. „Man darf den Druck spüren, aber das muss einem Energie geben“, sagte Müller, „keiner hat bei uns die Freiheit, dass er einfach zu zocken beginnt.“
Doch Müller wollte das nicht als Kritik an Tuchel verstanden wissen: „Es waren genügend Spieler auf dem Platz von internationalem Format. Da braucht man gar nicht Richtung Trainer gehen.“ Die wachsenden Zweifel an Tuchel wird Müller nach dieser Partie aber nicht aus der Welt schaffen können, weil dem es nach fast einem Jahr als Trainer der Bayern irgendwie nicht gelingt, eine Mannschaft zu formen, die mit Leichtigkeit das eigene Potenzial zum Leuchten bringt.
Leverkusener Dominanz
Da Tuchels Vorgänger Julian Nagelsmann mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte, ist schon klar, dass die Probleme nicht alleine beim Trainer zu suchen sind, aber Tuchel findet eben auch keine Lösungen. Und im direkten Kontrast zum Tabellenführer vom Rhein wirkten die Münchner Schwächen noch ein Stück größer und massiver als in den vergangenen Monaten.
Denn die Leverkusener schossen nicht nur drei schöne Tore durch Stanisic (18.), Grimaldo (50.) und Frimpong (90.+5), imponierend war die Art und Weise ihrer Dominanz. Sie waren in der Lage, alle Räume zu kontrollieren, sie bestimmten auch darüber, wann welches Team mehr Ballbesitz hat, wann sie sich Erholungsphasen durch Ballzirkulation gönnen, wann sie den Münchnern den Ball überlassen, um zu kontern. „Wenn wir das brauchen, dann sind wir in der Lage, manchmal dominant zu sein und manchmal zu warten“, sagte Alonso. Selbst Offensivspieler wie der wieder einmal brillante Wirtz verteidigten voller Hingabe, es war eine Meisterleistung auf allen Ebenen.
Schon jetzt ist kaum noch vorstellbar, dass Leverkusen im Mai nicht zur Heimat des besten Fußballs in Deutschland erklärt wird. Die Frage, ob sie dann auch Meister werden, ist hingegen schwieriger zu beantworten. „Es ist erst Februar, wir müssen ruhig bleiben“, sagte Alonso, der genau weiß: Eine überraschende Leverkusener Niederlage später kann die Welt schon wieder anders aussehen als an diesem perfekten Karnevalssamstag.
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