Spitzelaffäre bei Deutscher Bank: Aufsichtsratschef Börsig unter Druck
Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Börsig soll die Bespitzelung eines kritischen Aktionärs initiiert haben. Hintergrund der Beschuldigung ist ein Machtkampf mit Vorstandsboss Ackermann.
FRANKFURT/MAIN taz | Stolpert der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Clemens Börsig, über die Spitzelaffäre bei der Deutschen Bank? In einer Erklärung von Deutschlands größtem Geldhaus zu einem ersten Untersuchungsbericht einer Anwaltskanzlei zu den im Mai bekannt gewordenen Überwachungsvorgängen jedenfalls wird der Intimfeind von Vorstandsboss Josef Ackermann wenigstens in einem Fall als Initiator solcher Aktionen benannt.
In Absprache mit dem Leiter der Abteilung Investor Relations soll der Aufsichtsratsvorsitzende nach der Hauptversammlung 2006 "Nachforschungen" über den kritischen Aktionär und Anwalt Michael Bohndorf veranlasst haben, heißt es in der Erklärung der Bank vom Mittwochabend.
Ist Rache jetzt Blutwurst bei der Deutschen Bank? Im Frühjahr nämlich hatte Börsig vergeblich versucht, den rücktrittswilligen Ackermann zu beerben. Als Börsig seinen Hut in den Ring warf, trat Ackermann plötzlich von seinem Rücktritt zurück und verlängerte seinen Vertrag als Vorstandschef bis 2012 - ein Affront. Das Verhältnis gilt inzwischen als zerrüttet. Die Tage von Börsig an der Spitze des Aufsichtsrates jedenfalls scheinen nach dieser öffentlichen Bloßstellung gezählt zu sein.
Ansonsten aber bleibt der Vorstand seiner bisherigen Linie treu: verharmlosen und herunterspielen. "Isolierte Vorgänge" seien das gewesen, heißt es in einer Erklärung der Deutschen Bank in Reaktion auf den von dem Institut selbst in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht. Und dass von den in diesem Bericht aufgelisteten vier "möglichen Verstößen gegen den Datenschutz und den Schutz der Intimsphäre" nicht auf ein systematisches Fehlverhalten geschlossen werden könne.
Mit Verweis auf dieses erste Untersuchungsergebnis stellt sich die Führungsspitze der Bank auch gleich noch selbst einen Persilschein aus. In die Spitzelaffäre seien "keine Vorstandsmitglieder verwickelt", obgleich eine Sonderprüfung im Auftrag der Finanzaufsichtsbehörde Bafin noch nicht beendet ist.
Auch die Staatsanwaltschaft in Frankfurt am Main prüft inzwischen, ob die Vorgänge bei der Deutschen Bank von strafrechtlicher Relevanz sein könnten und gegen welche Personen dann Ermittlungsverfahren eingeleitet werden müssten.
Ob die angeblich nicht in die Affäre verwickelten Führungskräfte auch nichts von den "rechtlich bedenklichen Aktionen" (Deutsche Bank) gewusst haben, steht nicht in der Erklärung. Doch in Unternehmen dieser Dimension werde "in der Regel nichts ohne Zustimmung von oben abgesegnet", sagte dazu auf Nachfrage ein Börsianer und Branchenkenner, der auch für die Deutsche Bank arbeitet.
Der Vorstand als höchstes Entscheidungsgremium sei über so hochbrisante Vorgänge "ganz sicher wenigstens informiert gewesen". Die angeblich "isolierten Vorgänge" jedenfalls haben bereits zwei Topmanager der Bank den Job gekostet. Schon vor Wochenfrist wurden die Leiter der Abteilungen Konzernsicherheit und Investor Relations entlassen.
Bespitzelt jedenfalls wurde 2001 der Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Bank, Gerald Herrmann (Ver.di), nach kritischen Äußerungen zur Geschäftspolitik des Hauses und von einer Detektei aus Hamburg, deren Mitarbeiter ihr Handwerk bei der Staatssicherheit der DDR erlernt haben sollen.
Herrmann war auch unterstellt worden, "Firmengeheimnisse" an einen Journalisten weitergegeben zu haben. Die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos. Die Deutsche Bank entschuldigte sich förmlich. Bis heute aber wartet Herrmann vergeblich auf eine von ihm geforderte "persönliche Erklärung" von Ackermann.
Die auch erwiesene Bespitzelung des Vorstandsmitglieds Hermann-Josef Lamberti aber soll nun gar keine mehr gewesen sein, sondern nur eine "Übung" mit dem Ziel, die Wirksamkeit von Personenschutzmaßnahmen zu testen. "Erfolglos" sei zudem ein Querulant gesucht worden, der Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern "mit Privatbesuchen gedroht" habe. Mit "weiblichen Lockvögeln" rückten Privatschnüffler im Auftrag der Deutschen Bank dann im Sommer 2006 dem kritischen Aktionär Michael Bohndorf auf die Pelle.
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