: Spitzel mit Spitzenpension
■ Berliner Verfassungsschützer finanzieren Zukunft eines aufgeflogenen Informanten
Berlin (taz) – Wenn Verfassungsschützer sich einen Szene-Spitzel leisten, dann kann sie das teuer zu stehen kommen. Diese Erfahrungen macht derzeit zumindest der Berliner Verfassungsschutz. Denn einer seiner langjährigen Informanten, der bereits mit 450.000 Mark aus der Staatskasse unterstützt worden ist, wird für die Behörde noch teurer. Weitere 100.000 Mark kostet die Berliner Verfassungsschützer der Mann noch.
Christian Hain, so der Name des Verfassungsschutz-Informanten, war seit 1975 im Umfeld des sogenannten Schmücker- Verfahrens für die Berliner Schlapphüte tätig. Ilse Schwipper stand damals im Verdacht, Schmücker als „Verräter“ erschossen zu haben. Hain ließ sich unter dem Decknamen „Flach“ als Praktikant in der Anwaltskanzlei anstellen, die die Verteidigung im Schmücker-Verfahren organisierte. Für seine Spitzeldienste erhielt er vom Verfassungsschutz monatlich 2.500 Mark. Erst 1988 wurde er enttarnt.
Danach erhielt Hain vom Verfassungsschutz etwa 300.000 Mark, um sich eine neue Existenz in Griechenland aufzubauen. Dort jedoch scheiterte sein Einstieg in die Tourismusbranche. Schon im Herbst 1991 verlangte er vom Verfassungsschutz weitere 120.000 Mark. 20.000 erhielt er in bar, mit 100.000 Mark wurde er von der Behörde entschuldet. Obwohl Hain zugleich eine Erklärung unterschrieb, auf weitere Zahlungen des Verfassungsschutzes zu verzichten, verlangte der ehemalige V-Mann kurz darauf wieder Geld. Das Berliner Landesamt besorgte ihm eine Stelle in der EDV-Branche. Doch nur ein halbes Jahr später ging die Firma pleite. Im Herbst 1993, als sich Hain erneut beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz meldete, hatte die Behörde schon 450.000 Mark in den Ex-Informanten investiert.
Daraufhin wandte sich das Landesamt hilfesuchend an das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz. Dort empfahl man den Berlinern, Hain eine gründliche Ausbildung zukommen zu lassen. Eine Kostenbeteiligung lehnte das Bundesamt allerdings ab. Derzeit ist das Berliner Landesamt damit befaßt, diese Empfehlung umzusetzen. Doch das kostet Geld. Intern wird erneut mit einem Betrag in Höhe von 100.000 Mark gerechnet.
Die Berliner Verfassungsschützer sind zur Zahlung offenbar bereit. In einem anderen Fall will die Behörde einen ehemaligen Informanten dagegen auf Rückzahlung verklagen. Gegen Volker Weingraber, so berichtete der Spiegel kürzlich, klagt der Verfassungsschutz auf Rückzahlung von 450.000 Mark. Weingraber, der ebenfalls im Umfeld des Schmücker-Prozesses als V-Mann tätig war, soll das Geld vertragswidrig verwendet haben. Tagesthema Seite 3
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