Spionagethriller „Red Sparrow“: Du chielfst mierrr!
Russische Agenten sprechen mit hartem Akzent – auch Jennifer Lawrence und Charlotte Rampling im Spionagethriller „Red Sparrow“.
Eine Kadettenschule der etwas anderen Art. Im frostklirrenden Russland werden dort Agentinnen ausgebildet. Ihre Mission: Männer verführen, manipulieren und die gewünschten Informationen von ihnen beschaffen. Mit allen erforderlichen Mitteln und unter vollem Körpereinsatz.
„Sparrows“ heißen diese Agentinnen, die der KGB tatsächlich ausgebildet hat. So schildert es Jason Matthews, ehemaliger CIA-Agent, in seinem Roman „Red Sparrow“ von 2013. Das Buch hat sich der Regisseur Francis Lawrence jetzt als Vorlage für seinen Spionagethriller gleichen Titels genommen. Jennifer Lawrence gibt darin die Ballerina Dominika Egorova, die am Moskauer Bolschoi arbeitet, bis sie einer ensemble-internen Intrige zum Opfer fällt, einem „Unfall“ auf der Bühne, der sie ihre Karriere kostet.
Da Egorova Geld braucht, um ihre kranke Mutter zu versorgen, braucht sie neue Arbeit. Da bietet unversehens ihr Onkel Ivan Egorov (dezidiert putinesk: Matthias Schoenaerts) seine Hilfe an. Er ist in leitender Funktion beim russischen Außennachrichtendienst SWR tätig. Fortan genießt Dominika eine Ausbildung zum „Sparrow“ unter Leitung einer eisigen „Matrone“ (auch in dieser Rolle würdevoll: Charlotte Rampling).
Francis Lawrence, der nach den „Hunger Games“-Erfolgen in diesem Film erneut mit Jennifer Lawrence zusammenarbeitet, taucht den Osten von heute in bleischweres Blaugrau. Interieurs sind, wo sie nicht zu Luxushotels gehören, von Mustertapeten und Furniermöbeln gezeichnet. Die Männer und Frauen blicken grimmig.
Am schönsten ist in dieser an bewährten Post-Kalter-Kriegs-Versatzstücken reichen Geschichte aber der Regieeinfall, die östlichen Figuren mit slawisch eingefärbtem Akzent sprechen zu lassen. Aus „Hilfe“ wird dann „Chielfe“, aus „Sex“ so etwas wie „Sjeex“, und die ganze Prozedur müssen Jennifer Lawrence, Charlotte Rampling, Matthias Schoenaerts oder dessen SWR-Kollege Jeremy Irons ohne Ausnahme über sich ergehen lassen. Im Original ebenso wie in der deutschen Synchronfassung. Frage: Wie sprechen die Ost-Agenten wohl in der russischen Version des Films?
Russen foltern im Zweifel am grausamsten
„Red Sparrow“. Regie: Francis Lawrence. Mit Jennifer Lawrence, Joel Edgerton u. a. USA 2018, 139 Min.
Fein raus ist hingegen Joel Edgerton. Der darf als CIA-Mitarbeiter Nate Nash ganz normal artikulieren und hat sowieso den sympathischeren Part. Er und Lawrence treffen irgendwann zwangsläufig aufeinander, mit den zu erwartenden Verwicklungen im Doppelagentenwesen. Den Russen, so die Botschaft, ist nie zu trauen. Die folgen ihren höchst eigenen Interessen, foltern im Zweifel am grausamsten, während die CIA-Leute einfach „nur“ ihre Arbeit machen. Aber gut.
Von den inhaltlichen Fragen und der parodistisch anmutenden Inszenierung – manche Dialoge sind wirklich sehr witzig geraten – abgesehen, fehlt „Red Sparrow“ vor allem eine überzeugende Dramaturgie. Die verschiedenen Volten, die Dominika Egorova zusehends schlagen muss, werden auf Dauer ebenso vorhersehbar wie die in regelmäßigen Abständen auftauchenden Gewaltexzesse, die der Ausputzer Matorin (metzgergleich: Sebastian Hülk) mit unschöner Grausamkeit veranstaltet.
Aus dem Stoff hätte sich Spannenderes machen lassen, gerade wo es bei den „Sparrows“ vornehmlich um sexuellen Missbrauch der Agentinnen im Dienst für den Staat geht. Dass Francis Lawrence auch in diesem allemal aktuellen Punkt wenig mehr als Abgegriffenes herausholt, ist unnötig verzagt und fantasielos. Auch wenn Jennifer Lawrence, Edgerton und die übrigen Mitstreiter sich redlich bemühen, das Beste aus der Affäre zu machen. Immerhin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus