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Spieß und Dichter

■ „Schamzerpört“ eine szenische Lesung mit Texten von August Stramm

Er muß ein seltsamer Zeitgenosse gewesen sein, dieser August Stramm. Familienvater, Vorzeigekarrierist bei Post und Wehrmacht, nebenbei expressionistischer Dichter, 1915 - auf seinem künstlerischen Zenit - in Ausübung seiner Hauptmannstätigkeit auf dem Schlachtfeld gefallen.

Diesem Umstand verdankt die Theatergruppe Das Projekt, daß sie ihr Stück Schamzerpört im Rahmen der Ausstellung „Der Erste Weltkrieg: ,Von Menschenschlachthaus' und ,Stahlgewittern' - Visionen und Realität“ im Museum für Hamburgische Geschichte erneut aufführen kann.

Zwei Sprecher, Oliver Herrmann und Frank Puchalla, versuchen in wechselnden Rollen die unterschiedlichen Seelen in der Brust Stramms darzustellen. Das gesprochene Wort setzt sich ausschließlich aus Zitaten der Strammschen Gedichte zusammen, wobei man keinen zusammenhängenden - oder gar sinnvollen - Text erwarten darf, denn seine Prosa spiegelt eine gespaltene Persönlichkeit wider. Diese springt ständig hin und her zwischen Spießertum und Kunst, Patriotismus und Pazifismus, zwischen herrischen Schießbefehlen und poetischen Liebeserklärungen.

In atemberaubendem Tempo schleudern sich die Akteure Gedankenfetzen entgegen, mal schreiend, mal flüsternd. Dieses ,Wir-bilden-einen-langen-Satz-Spiel' gipfelt in Wortschwällen, bei denen die Klärung der Frage nach dem Inhalt häufig schwer fällt.

Ebenso brillant die musikalische Untermalung der szenischen Lesung. Uwe Schades Cello-Spiel, auf eigenen Kompositionen beruhend, unterstützt manchmal sanft, dann wieder brachial, doch stets harmonisch die emotionsgeladene Darbietung. Eine von Regisseur Jens Paarmann sparsam und trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen - gelungen inszenierte Performance.

Andreas Dey

Bis zum 7. August, Museum für Hamburgische Geschichte, 19 Uhr

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