Spielzeug, Fußböden, Tapeten, Turnmatten: Giftalarm im Kindergarten
Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat 60 Kindergärten untersucht. Das Ergebnis: Gesundheitsschädliche Weichmacher gasen aus.
BERLIN taz | Kindergärten sind oft überdurchschnittlich hoch mit Weichmachern belastet. Das hat eine Recherche des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in 60 Kitas ergeben. "Die gefundenen Weichmacher greifen in das Hormonsystem ein und stehen unter anderem im Verdacht, Unfruchtbarkeit hervorzurufen", schreibt der BUND in seiner Studie. Die Umweltorganisation hatte Kitas aufgefordert, Staubproben einzusenden und diese kostenlos in einem Labor auf Weichmacher untersuchen zu lassen.
Phthalate sind häufiger Bestandteil von weichen Kunststoffen und kommen in Bodenbelägen, Vinyltapeten, Turnmatten, Matratzenbezügen, Bällen, Möbeln mit Kunstlederbezügen oder Spielzeugen aus weichem Kunststoff vor. Aus diesen Gegenständen gasen die Substanzen langsam aus und belasten die Innenräume.
Reihenuntersuchungen wie etwa das Biomonitoring des Umweltbundesamtes weisen bei den Untersuchten regelmäßig Belastungen mit Phthalaten auf. Die größte Menge wird dabei durch die Nahrung aufgenommen. Der BUND weist darauf hin, dass "der Hausstaub nur eine der vielfältigen Aufnahmequellen von Weichmachern für die Kinder ist".
Einen gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwert gibt es nicht, aber Phthalate sind bereits in das Visier der EU-Chemikalienverordnung Reach gelangt. Einige Weichmacher dürfen nur noch eingeschränkt verwendet werden, andere müssen in absehbarer Zeit ersetzt werden.
Die Belastung der untersuchten Kindergärten sei unterschiedlich hoch gewesen, heißt es beim BUND. "Das zeigt: Die Schadstoffbelastung lässt sich beeinflussen, eine niedrige Belastung ist möglich." Besorgten Eltern und Erziehern rät der BUND, bei der Renovierung oder dem Neubau von Kitas auf PVC-freie Materialien zu achten, das Pausenbrot in Papiertüten oder Metalldosen zu verpacken und beim Essen etwa auf Plastiktischdecken zu verzichten.
Erst kürzlich hat das Umweltbundesamt darauf hingewiesen, dass auch die Zahl der Weichmacher, die in einem einzelnen Produkt eingesetzt werden können, steige. Eine sichere Bewertung des Risikos für die Gesundheit des Menschen durch die Gesamtbelastung und die Kombination verschiedener Weichmacher gebe es derzeit nicht.
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