Spielfilm über Aborigines: Deine goldgelben Locken

Warwick Thorntons Debütfilm "Samson und Delilah" erzählt eine eigentlich unmögliche Liebesgeschichte im australischen Outback. Sie kommt ganz ohne Worte aus.

Eine Liebe, die nicht erlaubt ist: Samson und Delilah. Es bleibt nur die Flucht. Bild: Mark Rogers

Samson verlor durch den Verrat Delilahs seine Haare und mit ihnen seine übermenschlichen Kräfte. Die Hauptfigur in Warwick Thorntons Debütfilm "Samson und Delilah" dagegen ist lange von den gesellschaftlichen Kräfteverhältnissen ausgeschlossen, als er sich in letzter Verzweiflung seine goldgelben Locken abschneidet.

Der Aborigine-Junge Samson lebt mit seinem älteren Bruder in einer heruntergekommenen Siedlung im australischen Outback. Die einzige Verbindung in die Welt ist ein öffentliches Münztelefon, das hin und wieder in die Stille hineinläutet, obwohl niemand einen Anruf zu erwarten scheint.

Erst gegen Ende, als Samson und seine Freundin Delilah selbst einen Notruf tätigen, der von den Dorfbewohnern ebenso unbeantwortet bleibt, erfährt dieser vermeintliche Running Gag eine dramatische Zuspitzung. Mitten in diese ausweglosen Lebensumstände hat Thornton eine eigentlich unmögliche Liebesgeschichte platziert, die ganz ohne Worte auskommt.

Delilah lebt mit ihrer pflegebedürftigen Großmutter nur ein paar Hütten von Samson entfernt. Tagsüber sitzen sie und die alte Frau vor dem Haus und bemalen Decken und Leinwände, die ihnen ein lokaler Händler günstig abkauft (und welche als Aborigine-Kunst zu horrenden Preisen im nahegelegenen Alice Springs angeboten werden).

Samson hält sich stets in sicherem Abstand auf; er hockt auf einem Zaun und wirft Blicke zu dem Mädchen rüber, das ihn zu ignorieren versucht. Würdigt sie ihn auf der Straße keines Blickes, wirft er Steine nach ihr. Sprechen hört man ihn nie.

Bedröhnt von Benzol-Gasen

Samsons erster Griff nach dem Aufstehen langt neben das Bett, wo eine Flasche mit Benzin steht. Bedröhnt von den Benzol-Gasen schwebt er förmlich durch den Film, passend unterlegt mit einem schläfrigen Reggae-Backbeat, den die Band seines Bruders mit stoischer Beharrlichkeit herunterspielt.

Tatsächlich hat Samson mit seinen Locken etwas Engelhaftes (auch die Kirchenbilder, vor denen Delilah einmal steht, zeigen ein Aborigine-Christuskind). Doch Thornton widersteht der Verlockung, seine Geschichte mit Heilsmotiven aufzuwerten. Thornton ist selbst Aborigine, er wuchs in demselben Landstrich auf, den er nun Einstellung um Einstellung rekonstruiert. Die geografischen und kulturellen Eigenheiten des Landes verleihen seinem Film eine Härte, der nicht nur die Liebesgeschichte seiner jugendlichen Figuren standhalten muss.

Als die Großmutter stirbt, geben die Verwandten Delilah Schuld an ihrem Tod und treiben sie mit Schlägen aus dem Haus. Samson schnappt sich das Mädchen, gemeinsam hauen sie ab, lassen alles zurück: die staubige Hölle, die isolierte Gemeinschaft mit ihren archaischen Riten und diesen unnachgiebig shuffelnden Reggae-Beat, der sie bis in den Schlaf zu verfolgen scheint.

Musik spielt eine zentrale Rolle. Am Anfang singt wehmütig der schwarze Countrysänger Charley Pride, bis das Stück jäh von Samsons ungestümen Gitarrenfeedback unterbrochen wird. Solche extremen Gefühlszustände muss man in Thorntons Filmen ständig aushalten, darum ist es umso erstaunlicher, wie sich seine Figuren trotz allem eine Zartheit bewahren.

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