Spieleentwickler Fargo über „Wasteland 2“: „Crowdfunding wird sich durchsetzen“
Brian Fargo hat für sein Rollenspiel über Crowdfunding fast drei Millionen Dollar gesammelt. Der Entwickler über Fans, die Macht der Publisher und Kulturfinanzierung im Netz.
taz: Herr Fargo, mögen Sie Farmville?
Brian Fargo: Nein, nicht wirklich.
Die großen Verleger aber schon, oder? So stellen Sie es zumindest in dem Video dar, mit dem sie sich an die Crowdfunding-Plattform Kickstarter wendeten. Sie haben mehr als dreimal so viel Geld gesammelt, wie Sie wollten. Wie fühlt sich das an?
Fantastisch. Der letzte Monat war ziemlich nervenaufreibend, das hätte ich wirklich nie erwartet. Ich arbeite schon so lange als Spieleentwickler, aber so was habe ich noch nie erlebt.
Ihr Kollege Tim Schafer hat 3,3 Millionen Dollar gesammelt – 400.000 Dollar mehr als Sie. Neidisch?
(lacht) Nein, nein, auf gar keinen Fall. Wir sitzen alle im selben Boot und ich freue mich sehr für ihn.
, 49, ist ein US-amerikanischer Spieleentwickler. Berühmtheit erlangte er Ende der 80er Jahre mit dem post-apokalyptischen Rollenspiel „Wasteland“. Aufgrund von Markenrechtsproblemen gab es bislang keine Fortsetzung. „Wasteland 2“ soll im Herbst 2013 erscheinen.
Haben Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet?
Natürlich hatte ich gehofft, dass wir unser selbstgesetztes Ziel erreichen, aber die Reaktion der Fans war wirklich überwältigend. Ich habe hunderte Emails erhalten, in denen Fans schreiben, dass sie sich in den letzten zehn Jahren nicht mehr so sehr auf ein Computerspiel gefreut haben. So etwas habe ich nicht erwartet.
Checken Sie immer noch regelmäßig ihre Kickstarter-Page?
Definitiv. Anfangs war ich so nervös, dass ich mich gar nicht getraut habe, nachzusehen. Und dann kamen die ersten Zahlen, dann 400.000 Dollar, 500.000 Dollar, und so weiter. Unglaublich.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, „Wasteland 2“ durch Crowdfunding finanzieren zu lassen?
Um ehrlich zu sein, bin ich durch Tim Schafers Erfolg darauf gekommen. Er war der Erste, der eine so hohe Summe sammelte. Und während die Finanzierung von Double Fine Adventure noch lief, bekam ich dutzende Nachrichten von Fans, die sagten: jetzt ist der richtige Moment für „Wasteland 2“! Also ließ ich alle anderen Projekte stehen und liegen, trommelte mein Team zusammen und fing an. Und ich glaube, wir haben uns ganz gut angestellt.
In der Tat, „Wasteland 2“ und Double Fine Adventure sind die bislang erfolgreichsten Kickstarter-Projekte. Wie können Sie sich den Erfolg erklären?
Wir bieten Spiele an, die sehr viel Spaß machen und die sehr viele Fans haben – und diese Fans können sich eben noch an den Spaß erinnern, den sie als Kinder oder Jugendliche damit hatten. Nun werden diese Genres, Role Playing Games und Adventure Games, von den großen Producern aber weitestgehend ignoriert, die sich eher an massentauglicheren Spielen orientieren. Dabei wollen die Fans unsere Spiele ja spielen! Und deshalb waren Sie auch bereit, sie zu finanzieren.
Ihre Popularität in der Branche könnte Ihnen auch geholfen haben.
Wenn es um Beträge von mehreren Millionen Dollar geht, dann kommt es schon auf den Bekanntheitsgrad und die eigene Erfolgsgeschichte an. Aber es gibt ja auch eine Menge kleinerer Entwickler, die noch nicht so bekannt sind, und denen es um Summen von 20.000 Dollar geht. So eine Summe kommt schneller zusammen, als man denkt. Das sind dann die Leute, die morgen vielleicht die Summen in Millionenhöhe sammeln werden.
Ich bin mir sicher, dass irgendwann jemand Tim Schafers Rekord brechen wird, jemand, der heute vielleicht noch gar nicht so bekannt ist. Die kleinen Entwickler von heute sind die Millionenprojekte von morgen.
Also sehen Sie einen längerfristigen Trend im Crowdfunding?
Absolut. Es bietet sich sehr gut für mittelgroße Projekte mit einem mittelgroßen finanziellen Aufwand an. Um professionell an „Wasteland 2“ zu arbeiten, brauche ich kein Riesenteam – aber ich kann auch nicht mit drei oder vier Teilzeitkräften arbeiten. Für diese Art von Spielen eignet sich Crowdfunding. Im Moment hat es auch einfach ein große Eigendynamik entwickelt. Es wird Höhen und Tiefen geben – aber im Endeffekt wird sich Crowdfunding als Finanzierungsmöglichkeit durchsetzen.
Glauben Sie nicht, dass es ein Trend sein könnte, der irgendwann vorübergeht? Der Schwung kann auch wieder verloren gehen.
Ich denke nicht, dass das in nächster Zeit passieren wird. Aber die Art des Crowdfundings wird sich verändern. Es werden jede Menge Leute auf den Zug aufspringen wollen, also wird es etwas schwieriger werden, die wirklich tollen Projekte aus der Masse herauszufiltern. Aber ich bin sicher, dass die besonderen, interessanten Projekte weiterhin unterstützt werden. Nein, Crowdfunding wird es auch in Zukunft geben.
Teilen Sie Schafers Meinung, Crowdfunding sei eine „demokratische“ Art der Spielefinanzierung?
Vielleicht, aber die Leute entscheiden mit ihrer Kaufkraft. Auf jeden Fall findet eine direktere Art des Austauschs zwischen Spielern und Spieleentwicklern statt. Vor ein paar Jahren war das noch unmöglich, da standen einerseits der Einzelhandel und andererseits die Publisher zwischen uns.
Durch Online-Vertriebsplattformen wie Steam kann man den Einfluss der Interessen des Einzelhandels minimieren. Und durch Crowdfunding den der Publisher. Jetzt können sich Spieler und Spieleentwickler auf Augenhöhe bewegen. Das war bislang nicht möglich.
Wie wird sich das auf die Spielentwicklung auswirken?
Positiv. Ich kann nur für mich sprechen, aber man muss einem Entwickler Vertrauen entgegenbringen. Dieses Vertrauen gibt ihm die Möglichkeit, wunderbare Spiele zu entwickeln. Die Crowd hat ein unglaubliches Vertrauen in uns gesetzt. Das gibt uns die Freiheit, die Dinge zu tun, die wir für richtig halten. Wenn man mit einem Publisher arbeitet, sind viele Mechanismen am Werk, Marketingstrategien, interne politische Entscheidungen, Marktanalysen – und manchmal wird dadurch das Produkt völlig verändert.
Damit müssen wir uns jetzt nicht mehr herumschlagen. Wir können Ideen verwerfen und neue Dinge einbringen, ohne uns an die Vorgaben des Publishers zu halten. Es ist ein ganz neuer Prozess der Entwicklung. Ich glaube, besser hätten wir „Wasteland 2“ nicht finanzieren lassen können.
Offiziell beginnt die Arbeit an „Wasteland 2“ erst, nachdem die Kickstarter-Finanzierung endet. Gibt es trotzdem schon konkrete Ideen, wie das Spiel aussehen wird?
Und wie! „Wasteland“ wird natürlich der Ausgangspunkt sein, aber wir entwickeln das Spiel weiter. Es wird wieder ein rundenbasiertes Rollenspiel nach dem Sandbox-Prinzip werden, also ohne festgelegte Level. Und die Welt ist natürlich wieder post-apokalyptisch, sehr dunkel und gefährlich. Der Spieler kontrolliert eine Gruppe von Wüstenaufseher, die für Recht und Ordnung sorgen müssen.
Die Gruppe lässt sich völlig frei zusammensetzen – Männer, Frauen, Russen, Deutsche, ganz egal. Man kreiert also diese Gruppe und rüstet sie mit verschiedenen Eigenschaften aus, das ist ja das besondere. Man muss taktisch agieren, seinen Kopf anstrengen. Ich kann es kaum abwarten, endlich mit der Arbeit anzufangen.
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