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Spiel mir das Lied vom Glotzen

■ Die Bremer Band „Telstars“ließ Fernseh- und Film-Musiken wieder auferstehen

Proust hat Spuren seiner verlorenen Zeit im Geschmack von Teegebäck gefunden. Heute würde er wahrscheinlich ständig am Radio sitzen und „Oldies“hören, denn nur wenig ruft die Vergangenheit so unmittelbar in Erinnerung wie die Hits von gestern. Und da wir alle mit James Bond, Miß Marple und den Peanuts aufgewachsen sind, ist es relativ einfach, uns in nostalgische Zustände zu versetzen, indem man einfach die jeweiligen Titelmelodien anspielt. Seit einiger Zeit ist das Recyclen der Fernsehserien und Spielfilme aus den 60er und 70er Jahre in Mode, „retro“heißt das passende Schlagwort dazu. Es ist also nicht besonders originell, wenn sich vier Bremer Musiker ihr gesamtes Repertoire aus alten Film- und Fernsehhits zusammenbasteln. Merkwürdig wird die Sache erst, wenn die meisten ZuhörerInnen (wie am Montag abend im Wallcafe) so jung sind, daß sie unmöglich Filme und Serien wie „Bullitt“, „Hatari“oder „Cobra übernehmen sie“zu ihrer Zeit gesehen haben können.

Mit Salzstangen auf den Tischen und einem laufenden Fernseher neben der Bühne wurde simpel und billig das passende Ambiente für diese akustische Zeitreise geschaffen, und auch die Instrumentierung war mit Hammond-Orgel, Twäng-Gitarre, Xylophon, Horn, Zither, Waldhorn und Rhythmusgruppe richtig schön altmodisch. Und zum Glück vermieden die Musiker um den Bassisten Thomas Milowski eine allzu ironische Attitüde, die einem bei solch einem Programm schnell den Spaß verderben kann. Wenn er sagte, daß Henry Mancini sein Lieblingskomponist ist, gab es keinen Anlaß, dies zu bezweifeln, und so spielte die Band auch die erste halbe Stunde lang nur dessen Klassiker aus Filmen wie „Breakfast at Tiffany's“, „Hatari“oder dem „Pink Panther“.

Dabei bemühten sich die „Telstars“, auch mit ihren minimalistischen Mitteln den Orginalton der häufig mit großem Orchester eingespielten Songs zu treffen. Jazz-Gitarrist Peter Apel konnte sich ein paar solistische Verzierungen nicht verkneifen, und Alexander Seemann zog auf der Hammond-Orgel gerne die schrägen Register, aber ansonsten spielten die vier so werktreu, wie es ihnen möglich war. Es muß eine irre Fleißarbeit für Milowski gewesen sein, die Arrangements der Stücke aus den Filmen herauszuhören, denn es gibt wohl kaum Noten zu solchen Juwelen wie dem Kinderjazz-Thema aus den Peanutsfilmen oder der Titelmusik von „Mit Schirm, Charme und Melone“.

Nur wenige Male schummelten die Musiker etwas, indem sie Originaltöne einspielten: so beim Countdown für „Orion“oder der Mundharmonika aus „Spiel mir das Lied vom Tod“. Daß dies eine weise Entscheidung war, bewiesen sie gleich dannach bei ihrer Interpretation von „Winnetou“, bei der Milowski leider selbst die Mundharmonika spielte. Dies wäre eine schöne Gelegenheit für den Beleg gewesen, daß sich der deutsche Komponist Martin Böttcher mit seinem begnadeten Kitsch nicht vor Ennio Morricone zu verstecken brauchte. Aber mit ihrem quälend falschen Harmonika-Sound haben die „Telstars“Winnetou noch einmal dahingemordet.

Dies blieb aber der einzige wirklich schlimme Ton des Abends, und mit dem sehr schön melancholisch interpretierten Titelsong aus „Rosemary's Baby“von Krzysztof Komeda bewiesen die vier Musiker auch, daß sie viel jazziger spielen können und nicht nur auf den Wiedererkennungswert setzten. Mit etwa drei Minuten pro Stück konnten sich die „Telstars“in drei Sets durch die bekanntesten Western, Krimis und Science-Fiction-Themen spielen, aber natürlich vermißte jeder Kenner auch schmerzhaft einige seiner akustischen Lieblinge: So hätten die vier auch unbedingt noch das göttliche Lied aus den „Pippi Langstrumpf“-Filmen spielen müßen, und warum steht da eine Zither auf der Bühne, wenn dann doch nicht die berühmte Melodie aus dem „Dritten Mann“gezithert wird? Da gibt es noch viel nachzuspielen für die „Telstars“.

Wilfried Hippen

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