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Spex-Autor schreibt RomanRedundantes Wortgeklingel

Wie viele Substantivierungen verträgt eigentlich das Verhältnis von Pop und Politik? Wolfgang Frömberg schafft in seinem Romandebüt "Spucke" ziemlich viele. Dafür ist er nicht lesbar.

Frömberg überzeugt nicht: Spucke statt Spex. Substantive statt lesbarem Roman. Bild: dpa

Gut zwei Drittel des Romans sind um. Bret Easton Ellis und Zadie Smith sind bereits interviewt, der März-Verlag besucht, Jungle World und FAZ gelesen, die RAF durchdekliniert und zwei, drei Vollräusche überstanden. Dann erst stellt sich der Protagonist endlich die entscheidende Frage: "Ist ein Kunstwerk immer Selbstporträt des Künstlers?" Der Selbstzweifel mag alt sein. Die Antwort aber war wohl selten zuvor so eindeutig wie in diesem Falle: Aber ja doch!

Denn Wolfgang Frömbergs Debütroman ist kaum verhohlen autobiografisch. Alles dreht sich um die Spex und ihr Umfeld. Das Pop-Magazin, für das Frömberg von 2002 bis 2006 in der Kölner Ronaldstr. 69 arbeitete, wird zur titelgebenden "Spucke" und residiert in der Donaldstr. 69. Auch die Namen der Redakteure und freien Mitarbeiter hat Frömberg verändert, sind aber mit ein wenig Knobelarbeit leicht zuzuordnen. Immerhin den Spex-Veteranen wie Diedrich Diederichsen kommt die Ehre zu, im Klarnamen durch das Vermächtnis der Zeitschrift zu geistern. Die befindet sich gerade vor dem Umzug - wenn auch nach Wien, nicht, wie im wirklichen Medienbetrieb, nach Berlin.

Unter diesen Umständen erforscht Frömbergs Alter Ego, der Spucke-Redakteur Förster, die modernen Bedingungen des Popkulturgeschäfts am eigenen Leib. Das theoretische Rüstzeug, mit denen der "flexible Kopfarbeiter" sein prekäres Dasein als scheinselbstständiger Honorarsklave zu durchdringen versucht, holt er sich in Dresden bei Schriftsteller und Ex-Spex-Mitarbeiter Marcel Beyer oder in den Büchern des ausführlich zitierten Rainald Goetz, der ja auch mal für die Spex geschrieben hat.

Bild: taz

Diese Rezension ist der aktuellen vom 23./24. Januar 2010 entnommen - jeden Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.

Die gewonnenen Erkenntnisse zum Verhältnis von Pop zu Politik, der Geschichte der Linken in der BRD, der neue Nationalismus nach der Wiedervereinigung oder auch Förster/Frömbergs Verhältnis zum eigenen Vater werden in Selbstgesprächen, Kneipendialogen und essayartigen Anfällen ausgebreitet.

Die Begleitmusik dazu ist ein stakkatoartiges Namedropping, das von Arthur Rimbaud über Sigmar Gabriel und Dario Argento bis Wolfgang Tillmans reicht. Das wäre zwar ebenso zu ertragen wie das wichtigtuerische Zitieren aus Popsongs von Velvet Underground, Talking Heads, Blumfeld oder Tocotronic. Selbst dass sich Frömberg ungebrochen dem Mythos Spex hingibt und versucht, die Jahre, in denen das Magazin unter einer nahezu komplett erneuerten Redaktion (zu der Frömberg gehörte) längst seine popkulturelle Meinungsführerschaft verloren hatte, retrospektiv zur intellektuellen Blütezeit hochzujazzen, könnte man als zeitgeschichtliches Dokument mit Innenansicht akzeptieren.

Das Problem aber ist Frömbergs Habitus, den er, seinem anderen Ich Förster zugeschrieben, einmal so beschreibt: "Seine Intelligenz, die Motivation, nicht dazuzugehören, und sein Ehrgeiz, anspruchsvolle Kunst abzuliefern, ließen ihn permanent strahlen wie ein Atomkraftwerk."

Es bleibt nicht die einzige schiefe Metapher. Zusätzlich offenbart Frömberg eine Vorliebe für überflüssige Substantivierungen und nichtssagende Adjektive, redundantes Wortgeklingel und abgestandene Formulierungen. Da sind "die sommerhimmelhellen, kristallkugelschlauen Augen auf einen Punkt weit jenseits plötzlich aufbrausender Emotionalität gerichtet", da wird aber auch einfach mal "ein Mütchen gekühlt". Und wenn Förster etwas trinken will, dann braucht er "Nachschub für die Kehle".

Frömberg, muss man leider so sagen, schreibt einfach nicht gut. Nicht nur, dass "Spucke" bisweilen so wirkt wie eine Sammlung alter Interviews und Rezensionen aus dem Fundus des Autors, angereichert mit Was-ich-immer-schon-mal-sagen-wollte-Texten. Vor allem wird hier Literatur mit der Anhäufung möglichst sperriger Formulierungen verwechselt. Ein Selbstporträt ist der Roman sicherlich, aber kein lesenswertes.

Wolfgang Frömberg: "Spucke". Hablizel Verlag, Berlin 2009. 224 Seiten, 14,90 Euro

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7 Kommentare

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  • Z
    zufall

    ich musste mich erst auch reinlesen aber beim zweiten mal fand ich es schon sogar gut.

    Es werden viele Romane über was weiss ich geschrieben aber ein Spucke gibt es nur ein mal

  • DD
    Dieter Dahm

    Ob einem das Thema zusagt, mag jeder selbst beurteilen. Aber, wie Herr Winkler völlig zurecht am Ende zusammenfassend feststellt, das Hauptproblem ist folgendes: Herr Frömberg kann einfach nicht schreiben. Ich habe nach hundert Seiten aufgeben müssen, meine Freundin hat 20 geschafft, ächzend!

  • T
    Tronti

    Winkler wir kennen deine Adresse!

  • MV
    Matt von Damon

    Hat die Spex zwischen 2002 und 2006 eigentlich noch irgendjemanden interessiert ?

  • S
    Sophia

    @ Thomas R.: Sie haben s o o recht. Obwohl auch ich das Buch noch nicht gelesen habe scheint mir allerdings wenigstens, berücksichtigt man Daths Phonon, die Überschrift dieser Rezension plausibel.

    Schöne Grüße,

     

    Sophia

  • A
    anke

    Das Selbstporträt eines in die Jahre gekommenen Atomkraftwerkes also. Nun ja. Vielleicht so: Wer auch nur in die Nähe kommt, muss damit rechnen, dass ihm die Haare büschelweise ausfallen und dass seine Haut hässliche Blasen bildet.

  • TR
    Thomas R.

    Leider hab ich Wolfgang Frömbergs Buch noch nicht gelesen. Aber ein Zeitungsartikel darüber sollte, wenn er schon deutliche Kritik und Interpretation übt, mit folgender Tatsache umgehen: Dietmar Dath, ehemaliger Chefredaktor bei der Spex, hat mit „Phonon“ ein Buch geschrieben, das ziemlich weitgehend den selben Stoff hatte. Und Wolfgang Frömberg wird das nicht entgangen sein. Insofern müsste das Buch doch damit in Beziehung gesetzt werden. Oder der Leser diese Tatsache erfahren.

    Sonst wird ein Urteil schnell geschmäcklerisch, vor allem auch, da die zitierten Textstellen jetzt nicht per se mangelnde Qualität durchscheinen lassen. Außerdem wird das Fiktive (Roman!) mit einer Beschreibung des Faktischen verwechselt und so kritisiert der Artikel auch Frömbergs M e i n u n g, was bei aller Parallelität zu realen Tatsachen, die das Buch anscheinend aufweist, doch nicht passieren darf. Ein nicht so ein guter Artikel, ist aber nicht soo schlimm, machen Sie es das nächste Mal einfach besser.