Spenden für Pakistan: Kein Herz für Mullah Omar
In Pakistan kämpfen Millionen Menschen ums Überleben - dennoch ist die Spendenbereitschaft hier bisher eher gering. Warum berührt uns dieses so wenig?
Die Deutschen spenden zu wenig für die pakistanischen Flutopfer, viel weniger als nach dem Erdbeben auf Haiti oder nach dem Tsunami. Sagt Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Sagt Regierungssprecher Steffen Seibert. Sagt die Diakonie. Sagt Caritas. Sagt so ziemlich jeder, der irgendwie damit befasst ist.
Dies habe, so ist zu hören, profane Gründe wie die Urlaubssaison, die Spendenmüdigkeit nach den Sammlungen zu Beginn des Jahres oder den Mangel an schockierenden Bildern. Vor allem aber habe die mangelnde Spendenbereitschaft etwas mit dem Land selbst zu tun. So meint die Sprecherin des Bündnisses "Aktion Deutschland hilft", Birte Steigert: "Pakistan wird als ein Land mit einer schwierigen politischen Situation wahrgenommen."
Man kann das so formulieren. Man kann die Dinge aber auch ein bisschen konkreter ausdrücken. Man kann daran erinnern, dass in Pakistan, wie Amnesty International berichtet, "Folterungen und Misshandlungen durch Strafverfolgungs- und Sicherheitsorgane an der Tagesordnung" sind. Dass die Taliban in einigen Regionen ein Schreckensregime errichtet haben. Dass die staatlichen Kräfte bei der Bekämpfung der Aufständischen mit ebenso exzessiver Gewalt vorgehen. Dass der pakistanische Geheimdienst die Taliban in Afghanistan unterstützt. Dass sich Pakistan zwar Atomwaffen leistet, aber bei internationalen Rankings, ob es um Alphabetisierung oder um Korruptionsbekämpfung geht, verlässlich auf den hinteren Plätzen landet.
Dabei sind nicht allein der Staat und die Milizen das Problem. Das Problem sind auch die Stammesstrukturen, die gerade im von der Flut besonders getroffen Nordwesten des Landes herrschen. Dort ordnen Ältestenräte mal eine Gruppenvergewaltigung an oder schlichten einen Streit zwischen zwei Familien durch die Zwangverheiratung von Mädchen. Die Unterscheidung "Staat und Milizen böse, einfache Menschen gut" funktioniert hier noch weniger als sonst.
Ihr schlechtes Image jedenfalls haben sich die pakistanische Regierung ebenso wie die pakistanische Gesellschaft in den vergangenen Jahren redlich erarbeitet. (So wie, sagen wir, die Stadt Duisburg auch nicht unverdient zu ihrem wenig schmeichelhaften Ruf gekommen ist.) Nicht nur das Image Pakistans ist beschissen; Pakistan selbst ist ein Scheiß-Staat. Denn, nein, nicht jedes Urteil ist ein Vorurteil; und ja, es ist blöd, aber wahr, dass viele Klischees leider stimmen.
Zum Beispiel dieses: Geschieht irgendwo in der Welt irgendetwas, durch das sich Muslime beleidigt fühlen (und das ist eine ganze Menge), strömen als Erstes in Islamabad, Karatschi oder Rawalpindi bärtige Männer und ganzkörperverschleierte Frauen auf die Straßen, verbrennen Fahnen und wünschen lauthals irgendwem den Tod. Dass sie an ihren Füßen häufig kaum mehr als ein Paar Sandalen aus Autoreifen tragen, scheint diese Leute weniger zu stören als die Veröffentlichung irgendwelcher Karikaturen in einem 5.000 Kilometer entfernten Land. Unter den dauerbeleidigten Leberwürsten, als die sich die Muslime so gerne präsentieren, sind die Pakistanis die Ultras. Aber sie sind keine Hinterwäldler. Auf ihre Weise nehmen sie am Weltgeschehen teil; erst im Juni wieder, als man gegen den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg protestierte, weil User der Seite zu einem Mohammed-Karikaturen-Wettbewerb aufgerufen hatten.
"Möge es dir Gott geben", lautet eine türkische Redewendung, mit man Bettler abwimmelt, denen man nichts geben möchte. Man ist versucht, den Pakistanis diese Phrase zuzurufen. (Wie man geneigt ist zu wünschen, Mullah Omar und die Seinen mögen in ihren Höhlen untergehen.) Gleichwohl leben in Pakistan auch Menschen, die sich gegen die unerträglichen Zustände wehren. Leben dort Kinder, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Auch sie brauchen nun internationale Hilfe.
Vielleicht ist diese Hilfe auch deshalb notwendig, damit sich nicht die Taliban oder andere Islamisten, denen es nicht um ein besseres, sondern nur um ein vermeintlich gottgefälliges Leben geht, als einzige Retter inszenieren können. Vielleicht sind es aber, insbesondere im Norden des Landes, am Ende des Tages die Taliban, die über die Verteilung und Verwendung von Lebensmitteln und Medikamenten entscheiden und am meisten von der internationalen Hilfe profitieren. Auf jeden Fall ist es nicht moralisch verwerflich, sich solche Fragen zu stellen, ehe man die Überweisung tätigt. Billig aber ist es, ohne sie beantworten zu können, die mangelnde Spendenbereitschaft zu geißeln.
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