Spekulation mit Nahrungsmitteln: „Die Aktionäre waren entsetzt“
Die Deutsche Bank sucht den Dialog mit NGOs. Können diese sie überzeugen, nicht mit Lebensmitteln zu spekulieren? Umweltaktivistin Barbara Happe ist skeptisch.
taz: Frau Happe, heute trifft sich die Deutsche Bank unter anderem mit Vertretern von Foodwatch. Glauben Sie, dass es gelingen wird, die Nahrungsmittelspekulation einzudämmen?
Barbara Happe: Nur wenn Foodwatch es schafft, den Imageschaden für die Deutsche Bank extrem nach oben zu treiben.
Wie macht man das?
Ein Beispiel: Die Deutsche Bank hat Kredite an Firmen vergeben, die Streumunition herstellen. Also haben wir ein Streumunitionsopfer ohne Arme und ohne Beine eingeladen, bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank zu sprechen. Die Aktionäre waren so entsetzt, dass der damalige Vorstandschef Josef Ackermann sofort reagieren musste.
Aber bei Nahrungsmitteln ist es nicht so eindeutig, wie Spekulanten dazu beitragen, dass Menschen hungern.
Es ist ein Problem, dass das Thema Nahrungsmittelspekulation abstrakter ist als Streumunition. Daher glaubt die Deutsche Bank, dass sie es sich weiterhin leisten kann, mit Agrarprodukten zu hantieren.
Das Europaparlament in Straßburg hat am Dienstag die Regulierung der Finanzmärkte verschärft und die Mifid II genannten Regeln angenommen, die etwa die Spekulation mit Lebensmitteln stoppen sollen. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten müssen den Maßnahmen noch zustimmen.
Die Hilfsorganisation Oxfam, die sich für die Regeln zur Begrenzung der Spekulation mit Lebensmitteln eingesetzt hatte, begrüßte die Entscheidung des Parlaments. Die neuen Regeln erlauben es erstmals, beim Handel mit Derivaten auf den Märkte für Lebensmittel Grenzen zu setzen.
Kritik äußerte dagegen die Organisation Foodwatch in Berlin: Die Richtlinie enthalte große Schlupflöcher. Dass jedes EU-Land seine eigenen Obergrenzen für Spekulation festlegen kann, könne zu einem Wettlauf um die schwächsten Vorschriften führen. (afp/taz)
Foodwatch setzt auf das direkte Gespräch mit den Chefs der Deutschen Bank. Welche Erfahrungen haben Sie mit Verhandlungen gemacht?
Es ist richtig, den Dialog mit Banken zu suchen. Aber unsere Erfahrungen sind häufig enttäuschend, wenn es um Themen wie Menschenrechte oder Umweltschutz geht.
Sie haben gar keine Fortschritte erzielt?
Die Prüfungen sind besser geworden, und einige Banken haben sich von besonders kritischen Kunden oder Geschäften verabschiedet. Wir führen seit 15 Jahren Gespräche mit den Banken, und es war erstaunlich, wie wenig selbst deren Nachhaltigkeitsabteilungen anfangs wussten. Zum Beispiel haben sie in den 90ern massiv Zellstoffunternehmen in Indonesien finanziert, deren Rentabilität in der Vernichtung von Regenwald zum Nulltarif bestand. Das war keiner der Banken bei der Kreditprüfung aufgefallen.
Das Image der Banken hat durch die Finanzkrisen schwer gelitten. Da hätte es doch nahegelegen, durch nachhaltige Investitionen die Reputation wieder zu verbessern.
Das dachten wir auch. Deswegen haben wir acht „Bankendialoge“ zu Themen wie Waffen, Atom, Biokraftstoffe, Bergbau oder Zellstoff organisiert.
Gab es konkrete Ergebnisse?
Leider nicht viele. Commerzbank und BayernLB haben sich verpflichtet, keine Atomkraftwerke und Uranminen mehr zu finanzieren.
45, arbeitet seit 1999 als Referentin für Finanzinstitutionen bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation „Urgewald“.
In Deutschland gibt es viele Sparkassen. Sind die öffentlichen Banken besser?
Nein. Sie sind nicht weiter als die Privatbanken. Der deutsche Staat verhält sich lethargisch. Das sehen Sie auch bei der Riester-Rente: Sie wird staatlich subventioniert – aber es wird nicht vorgeschrieben, dass die Gelder nachhaltig investiert werden müssen.
Es bringt also nichts, auf den Gesetzgeber zu hoffen?
Politische Regulierung wäre viel effizienter, als auf irgendwelche Selbstverpflichtungen der Banken zu hoffen. Aber sie findet nicht statt. Zum Beispiel gibt es die völkerrechtliche Konvention, die Streumunition verbietet und die von der Bundesrepublik ratifiziert wurde. Man sollte also erwarten, dass der Bundestag ein Investitionsverbot für Streumunition verabschiedet. Dazu war er aber bisher nicht bereit.
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