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Spektakuläre Schattenseiten

■ Unerwartet leise Foto-Ausstellung der Stiftung World Press Photo: 140 der besten Presse-Lichtbilder des Jahres 1995 sind ab heute in Hamburg zu sehen

Tote, Terror, Trauer und wenige Lichtblicke: Pressebilder zeigen meist die spektakulären Schattenseiten der Welt. Da das inszenierte Studiofoto von Louie Psihoyos, das eine Person vor einer Wand von 500 Fernsehmonitoren zeigt, noch nicht Realität ist, vermögen die Bilder auch noch zu ergreifen.

Läßt die heute schon theoretisch mögliche Medienmassierung für die Zukunft nur müde Kicks und grenzenlose Apathie ahnen, strahlt der in der bengalischen See schwimmende Elefant, eine Unterwasseraufnahme des Franzosen Olivier Blaise, eine sanfte und freundliche Kraft aus. Beide Fotos erhielten von der Stiftung „World Press Photo“ erste Preise – in den Sparten„Wissenschaft und Technologie“ bzw. „Natur und Umwelt“.

Seit 1955 werden in Amsterdam die besten journalistischen Bilder eines Jahres in 16 Kategorien prämiert und anschließend eine Ausstellung auf Wanderschaft in 35 Länder geschickt. Dieses Jahr wurden 29 116 Bilder von 3 061 Fotografen aus 103 Ländern eingesandt; von den 54 Auszeichnungen gingen 21 in die USA.

Angesichts der Massengräber und Leichenstapel in Bosnien, Haiti, Ruanda und Tschetschenien wird immer noch und immer wieder Schwarz-weiß als Stilmittel verwendet. „Schwarz-weiß konzentriert die Aufmerksamkeit aufs Bild, Farbe kann von der Kraft eines guten Bildes ablenken, aber sie kann mittelmäßigere Fotos retten, indem sie sie interessanter macht“, sagt Lucian Perkins und beschreibt damit auch das „Photo des Jahres“, mit dem der Reporter der Washington Post zum Gewinner wurde. Kein spektakuläres Grauen wird hier abgelichtet, eher leise schleicht sich die Verzweiflung ein, mit der ein verlassenes Kind sich gegen das ovale Rückfenster stemmt, während der Bus es von seiner umkämpften Heimat fortbringt.

Doch nicht nur im Krieg sind Reporter unsere verlängerten Augen, deren Aufnahmen sich gegen das Vorbeihuschen der Fernsehbilder behaupten können. So gab es Preise für Einblicke in das einzige Klini-kum für Rennkamele in Dubai, für Fotos vom Frauenorchester des Blindenzentrums in Kairo, für eine Dokumentation über senegalesische Fischer für das Greenpeace Magazin oder für Aufnahmen von der Reichstagsverhüllung durch die Christos für den Stern.

„Ein persönlicher Stil kann künstlerische Aspekte vermitteln, auch wenn das Ganze nicht Kunst genannt wird“, sagt Lucian Perkins, „der Vorteil von Fotografie gegenüber anderen Kunstformen ist die Möglichkeit, einen bestimmten Augenblick festzuhalten und dem Betrachter Dinge zu zeigen, die sonst versteckt geblieben wären.“

Das trifft ebenso den humorvollen Schnappschuß von Barbara Kinney. Ihr Bild in der Tradition der entlarvenden Überraschung, wie ihn in der Weimarer Republik der Fotograf Ernst Salomon begründete, berichtet von der Sorge einiger Staatsmänner, ob ihre Schlipse auch kameragerecht sitzen. Das Perkinssche Diktum gilt aber auch für die Bilderserie von Derek Hudson. Der Brite hatte in Life die vielen unerklärlichen Geburtsfehler bei Kindern der amerikanischen Golfkriegsveteranen angeklagt, deren Verursachung durch den Golfkrieg vom Pentagon hartnäckig geleugnet wird.

Hajo Schiff

Ab Do, 1. August, bis So, 25. August, täglich 10 bis 18 Uhr (Mi bis 20 Uhr), „Gruner+Jahr“-Pressehaus (Am Baumwall 11)

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