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Spaß mit KrabbenPulen fürs Volk

Die Federwardersieler Krabbenmeisterschaften erinnern daran, dass Nordsee-Shrimps ein komplett globalisiertes Produkt sind.

Lange Fingernägel sind kein Vorteil beim Krabbenpulen. Bild: dpa

FEDERWARDERSIEL taz | Zwar leben noch 20 Familien in Federwardersiel vom Krabbenfang. Aber einmal pro Jahr erinnern die niedersächsischen Krabbenpulmeisterschaften dort mit großem Tamtam daran, dass dies ein aussterbendes Gewerbe ist. Denn Rekordjagden sind ein starker Indikator dafür, dass die Produktionskette fragmentiert und der Gehalt der sie konstituierenden Einzeltätigkeiten erodiert ist.

Die vorherige Funktion ist zur nur sich selbst bezweckenden Höchstleistung im Kampf gegen objektive Messgeräte wie Uhr und Waage geworden. Wobei ganz aus dem Blick gerät, dass es sich bei Krabben um Tiere handelt.

Am Freitag eröffnet Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) das Event, obwohl ökonomisch relevantes Nordseekrabbenpulen nur in Marokko stattfindet. Die den Markt beherrschenden niederländischen Unternehmen „Klaas Puul“ und „Heiploeg“ betreiben in Tetouan und Tanger gut gekühlte Hallen. Zum Pulen angestellt werden ausschließlich Frauen.

Gepeld voor hongerloon

Zwar wartet das Goethe-Institut noch immer mit einem Text auf, der die „wichtige wirtschaftliche Rolle“ des Krabbenpulens für die Marokkanerinnen hervorhebt, die „mit dieser Arbeit ihre ganze Familie ernähren können“.

Dummerweise liegen die 180 Euro, die ihnen die generösen Europäer dort mit Glück im Monat zahlen, zehn Prozent selbst noch unter dem gesetzlichen marokkanischen Mindestlohn. „Garnalen gepeld voor Marokkaans hongerloon“, lautete, adäquater, die Schlagzeile in De Trouw anlässlich der Streiks der Arbeiterinnen Anfang 2012.

In Fedderwardersiel geht es um Familienehre: Vorjahresmeisterin Janka Peters versucht, den Titel gegen Schwägerin Marita Peters zu verteidigen, die seit 2011 in der 20-Minuten-Distanz den Weltrekord von 581 Gramm hält.

Deren Tochter Loana ist beiden 2013 nahe gerückt, mit 337 Gramm. Auch soll laut Veranstalter ein Gruppenweltrekord versucht werden. Besser wäre es, Fatma Hamdouni einzufliegen, die 2012 die Proteste in Tetouan anführte. Das könnte den Wettkampf beleben, und helfen, das eigene Tun zu überdenken.  

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1 Kommentar

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  • Schön, endlich ein Artikel, bei dem ich mitreden kann.

     

    Meine Mutter, 70, pult das Kilo Krabben aus dem Vareler Hafen- frisch vom Kutter- in knapp 45 Minuten, mit einer Tasse Tee nebenbei. Grob geschätzt.

    Damit könnte sie gegen die Championeuse Janka Peters antreten, und würde ganz sicher einen Ehrenpreis gewinnen. Oder, soweit zugelassen, auch den All Time Champion Winner Award of the Best of the Best of Fedderwardersiel Krabbenpulmeister gewinnen. Oder so ähnlich.

     

    Da ich kein Meister im Querlesen bin, bitte ich um Hinweise, wo in folgender Aussage die Quintessenz liegt.

     

    ""Dummerweise liegen die 180 Euro, die ihnen die generösen Europäer dort mit Glück im Monat zahlen, zehn Prozent selbst noch unter dem gesetzlichen marokkanischen Mindestlohn.""

     

    Gesetzlicher Mindestlohn in Marokko lt. minimum-wage.org sind Stand 2009 knapp 54,- MAD ( Dirham) blablabla...

     

    Vermutlicherweise will úns Herr Schirrmeister sagen, dass meine Mutter in Marokko, für 180,- Euro Monatslohn, 8 Stunden am Tag, bei einer 6 Tage Woche, geschätzte 63,9 Kilo Krabben pulen kann.

     

    Aber wer zur Hölle kauft gepulte Krabben...?

     

    Mahlzeit

     

    Was ißt man eigentlich aktuell in der (Ost) Ukraine und im Gaza Streifen..., wo aktuell von der Wohlfühlpresse das Höllenfeuer herbei geschrieben wird?