Sparpolitik: "Die Kollegen sind am Rande ihrer Schaffenskraft"

Der sogenannte Solidarpakt bedeutete Lohnverzicht und Mehrbelastung, sagt die Tempelhof-Schöneberger Personalrätin Gabriele Pott. Statt weiter Stellen im öffentlichen Dienst abzubauen, solle das Land mehr Azubis übernehmen.

taz: Frau Pott, dieser Tage läuft der "Solidarpakt" im öffentlichen Dienst aus. Das heißt für Sie: mehr Geld im neuen Jahr.

Gabriele Pott: Nein, es gibt eigentlich überhaupt nicht mehr Geld, denn die Kolleginnen und Kollegen bekommen nur das zurück, was der Senat ihnen 2003 abgerungen hat: 8, 10 und 12 Prozent weniger Lohn oder Gehalt. Das Ende dieser Einbußen wird jetzt gern als Erhöhung verkauft, das ist es aber nicht.

Für weniger Geld mussten Sie in den vergangenen Jahren aber auch weniger arbeiten.

Sicher ist es schön, dass wenigstens dieser Zeitgewinn für die Beschäftigten möglich war. Aber letztlich mussten sie ja die Arbeit, die liegen bleibt, aufholen - sie haben in weniger Zeit mehr Pensum schaffen müssen.

"Wir müssen Solidarität neu buchstabieren" sagte Klaus Wowereit 2003 zum Solidarpakt. Sehen Sie denn, dass sich durch den jahrelangen Verzicht etwas verändert hat?

Nein, ich kann nicht erkennen, dass die Haushaltslage sich dadurch irgendwie verbessert hat. Stattdessen hinkt Berlin heute bei den Einkommen um 5,6 Prozent hinter dem Rest des Landes her. Seit 2003 haben die Kollegen abgesehen vom 65-Euro-Sockelbetrag ab Juni 2009 nichts an Gehaltszuwachs bekommen.

Dafür schloss das Land Berlin aber auch betriebsbedingte Kündigungen aus. Befürchten Sie, dass der Senat von dieser Möglichkeit jetzt Gebrauch machen wird?

Natürlich erweckt das bei den Kollegen ein ungutes Gefühl. Aber ich rechne nicht mit Kündigungen, denn eigentlich ist im Land Bedarf da. Außerdem muss im öffentlichen Dienst ja nachgewiesen werden, dass Menschen, die durch Schließung oder Privatisierung von Betriebsteilen nicht mehr benötigt werden, in wirklich keinem anderen Bereich eingesetzt oder dafür qualifiziert werden können.

Stellen will das Land aber wohl weiterhin abbauen.

Ja, 2003 waren wir noch bei etwa 140.000 Beschäftigten, inzwischen sind wir bei knapp über 100.000. Und das ist noch nicht das Ende der Fangenstange, laut Senatsvertretern soll sich das bei 90.000 Beschäftigten einpendeln. Wir merken aber schon jetzt eine fürchterliche Arbeitsverdichtung. Die Kollegen sind teilweise am Rande ihrer Schaffenskraft, denn die Aufgaben fallen nicht zwingend mit den Einsparungen weg.

Auf den Internetseiten des Senats wird gerade nach neuen Auszubildenden gesucht. Aber was macht der fertige Verwaltungsfachangestellte denn nach seiner Ausbildung?

Im Moment kriegt der einen Jahresvertrag und dann wird er sich beim Arbeitsamt melden müssen. Es ist schon ein Erfolg, wenn wir im Jahr von unseren rund 30 Azubis 2 nach ihrer Ausbildung einstellen dürfen. Demzufolge haben wir auch Probleme mit dem demografischen Faktor: Im Prinzip überaltern die Bezirksämter langsam. Man kämpft ja auch darum, dass man gerade junge Menschen, die wir ausgebildet haben, wieder einstellt.

Übernahme von Azubis, Lohn- und Gehaltssteigerungen, Ost-West-Angleichung - und dem gegenüber die Haushaltslage: Wie optimistisch sind Sie denn dann für die laufenden Tarifverhandlungen?

Das ist auch die Frage der Kampfkraft der Kollegen und Kolleginnen. Sie haben im Laufe der letzten sechs Jahre mitbekommen, wie sehr sich ihre Arbeit verdichtet hat. Jetzt wird es auch darauf ankommen, wie bereit sie sind für ihre berechtigten Forderungen einzutreten.

INTERVIEW: SEBASTIAN PUSCHNER

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