: Sparkurs und ein Harmonie-Konzern
■ Ein dezimierter VfB Stuttgart führt müden HSV im Volksparkstadion mit 2:0 vor
Noch ehe HSV-Präsident Ronald Wulff nach dem 0:2 gegen den VfB Stuttgart ähnliches verlauten lassen konnte, nahm Benno Möhlmann ihm das Wort aus dem Mund: „In den letzten Wochen und Monaten ist zu viel an andere Sachen gedacht worden und nicht ans Fußballspielen“, so der 40jährige Trainer, der in der vergangenen Woche als Kandidat für die Rehhagel-Nachfolge bei Werder Bremen permanent die Schlagzeilen gefüllt hatte, ehe er doch ankündigte, seinen bis zum 30. Juni 1996 laufenden Vertrag zu erfüllen.
Phrase, Selbstkritik oder Enttäuschung über die vertane Chance, die angekündigte Aufholjagd in Richtung UEFA-Cup-Platz einzuläuten? Die günstige Gelegenheit gegen die auswärtsschwachen Schwaben wurde jedenfalls kläglich vergeben. 24.000 Neugierige sahen, wie Bobic (17.) und Buck (44.) die internationalen Ambitionen der schwerfälligen Hanseaten als Groteske entlarvten. Selbst am farbenfrohen Mann in Schwarz konnte es diesmal nicht liegen: Helmut Krug verteilte seine drei Platzverweise an zwei Gäste (Immel und Dunga) und verbot mit Jürgen Hartmann nach 43 Minuten nur einem Hamburger das Weiterspielen.
Wulff übernahm die fachliche Kritik an der HSV-Elf, die nicht nur im Sturm, sondern vor allem in der Abwehr eine desolate Leistung bot: „Das war gar nichts. Was die Spieler abgeliefert haben, war schon deprimierend“, und warb fürs Sparen: „Wenn man die Möglichkeit hätte, die Gehälter nicht auszuzahlen, dann würde ich es tun. Die Mannschaft hätte es verdient.“
Für Willi Lemke muß die Mark am Volkspark nicht umgedreht werden. Der 48jährige, aus Hamburg stammende Manager von Werder Bremen (Wulff: „Keiner ist so rege und kreativ wie er.“) wird nicht als Nachfolger des geschaßten Heribert Bruchhagen an die Elbe ziehen. Aber vielleicht steht in den nächsten Monaten ja doch ein neuer Übungsleiter auf der Gehaltsliste. Die Treueschwüre Möhlmanns („Ich bleibe, das war nie eine Frage für mich.“) überdecken nur mühsam, daß der Trainer und das gegen Stuttgart mangelhaft vorbereitet wirkende Team nicht mehr allzu sehr harmonieren. Da hat Harmonie-Konzern Werder nicht die schlechtesten Werbechancen. Folke Havekost
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