Sparkurs beim Freitag: Entlassung auf Raten
Die Wochenzeitung "Freitag" halbiert ihr Literaturressort - eines von vielen Anzeichen dafür, dass seit dem Relaunch vor einem Jahr immer noch einiges im Argen liegt.
![](https://taz.de/picture/320097/14/freitag_02.jpg)
Ingo Arend, Literaturredakteur bei der Wochenzeitung Freitag, soll fortan für weniger Geld als Autor für die Zeitung arbeiten. Der Verleger Jakob Augstein will das Literaturressort von zwei auf eine Seite eindampfen. "Den Schwerpunkt auf Buchrezensionen zu legen", so Augstein zur taz, sei eine "überholte, starre Form". Für ihn ist das eine ganz normale redaktionelle Kurskorrektur.
Doch so ist es nicht. Ein paar Dutzend Freitag-Autoren und -Leser haben gegen Arends Jobwechsel, der eher eine Entlassung auf Raten ist, protestiert. Arend, so die UnterzeichnerInnen, sei ein "kompetenter, verlässlicher und fairer Redakteur", die Entscheidung, den Literaturteil, "ein Aushängeschild des Freitag", zu halbieren, ein Fehler.
Unterschrieben haben unter anderem György Dalos, der Herausgeber der Zeitung ist, und die Schriftsteller F. C. Delius, Christoph Hein, Marlene Streeruwitz und Ingo Schulze. Augstein hat geantwortet (nachzulesen auf dem Freitag-Blog von Ingo Stützle): Erfolg hat der Protest nicht. Die Entscheidung über Arends Job wird wohl am 9. April vor einem Arbeitsgericht fallen.
"Ich würde mir wünschen, dass es solche Solidarisierungsadressen auch gibt, wenn bei der SZ oder bei Gruner + Jahr Stellen abgebaut werden", sagt Augstein. So richtig erklären kann er sich die Aufregung nicht. Der Freitag, den Augstein, der Teile des Spiegels besitzt, hoch subventioniert, funktioniert anders als Gruner + Jahr. Seit dem Relaunch vor einem Jahr ist er bunter, vielfältiger geworden, manche meinen: beliebiger. Das neue Alltagsressort soll jüngere Leser binden.
Klar ist: Das ökonomisch seit seiner Gründung 1990 wackelige Blatt überlebt nur, wenn die linken, bildungsbürgerlichen Traditionsleser bleiben und neue, jüngere hinzu kommen. Dieser Spagat klappt nicht so recht. Die junge, hippe Klientel, die Augstein als Zielgruppe vorschwebt, ist nicht so leicht zu gewinnen, die traditionellen Freitag-Leser hadern mit dem neuen Stil. Ob da die Degradierung eines verdienten Literaturredakteurs, der seit 14 Jahren bei der Zeitung arbeitet und offenkundig bildungsbürgerliche Leser an das Blatt bindet, klug ist, darf bezweifelt werden.
Außerdem zeigt der Fall Arend, dass es finanziell eng ist. Der mit dem Relaunch massiv ausgebaute Online-Auftritt war mit der falschen Erwartung verknüpft, dort Geld zu verdienen. Die Phase der Netz-Euphorie, in der das Printprodukt als Relikt einer vergangenen Epoche galt, ist vorbei. Für Leserkommentare kann man sich nichts kaufen. Jetzt geht es, ganz traditionell, darum, die Abonnenten zu halten, die es noch gibt.
Exakte, geprüfte Zahlen über die Auflage gibt es nicht, weil der Freitag nicht mehr der IVW-Kontrolle unterliegt. Beim Relaunch erhöhte das Blatt die Auflage kurzfristig auf 70.000 Exemplare. Die Versuche, die Kioskverkäufe dauerhaft zu erhöhen, waren teuer und erfolglos. Jetzt plant der Verlag, den Kioskverkauf komplett einzustellen. Ab April soll es den Freitag nur noch in Bahnhofsbuchhandlungen zu kaufen geben. Das wiederum macht es schwer, neue Abonnenten zu interessieren.
Laut Augstein hat der Freitag seit dem Relaunch 2009 "ein paar hundert Abonnenten" verloren. Die Zeitung stehe "jetzt besser da als vor einem Jahr - aber sie ist noch lange nicht außer Gefahr". So kann man es auch sagen. Der Freitag hat um die 9.000 Abonnenten. Um kostendeckend zu arbeiten, braucht er ungefähr dreimal so viele.
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