Sparhaushalt und die Freie Szene: Die große Verunsicherung
Am Donnerstag beschließt die schwarz-rote Mehrheit im Abgeordnetenhaus den Sparhaushalt. Die Kultur lässt Federn. Die Freie Szene ist stark betroffen.
Jana Kreisl arbeitet als Illustratorin und Comicautorin für private Kunden, auch mit Fördergeldern vom Senat, wie viele in der Szene. Die Kürzungen gefährden ihre berufliche Zukunft, gibt sie zu Protokoll. Die Solo-Selbstständige sagt, sie ist „ziemlich wütend“ über den Kultursenator Joe Chialo (CDU) und sein Gerede vom „Empörungstsunamie“ – gemeint sind die Proteste gegen die Kulturkürzungen. „Ich würde ja gern wissen, wie er reagieren würde, wenn man sein Gehalt kürzt.“ Denn darauf liefen die geplanten Budgetkürzungen für kleine Projekte und Selbstständige in der Freien Szene hinaus.
Jana Kreisl über Kultursenator Joe Chialo
„Es wird für zukünftige Projekte sicher schwerer werden, Fördergelder zu bekommen“, sagt Kreisl. „Daraus folgt, dass man mehr mit privaten Kund:innen arbeitet, aber Projekte, die sich um soziale Themen drehen und eben Fördergelder brauchen, nicht mehr umzusetzen sind.“
Generell herrsche derzeit eine „ziemliche Unsicherheit“, wie es weitergehen wird, sagt Kreisl. „Viele meiner Kollegin:innen haben Projekte zu DraussenStadt gemacht“, nennt sie ein Beispiel, an dem nun gespart wird. Sie selbst ist direkt betroffen, weil das Comic Stipendium gekürzt wird. Sich dann hinstellen wie der Kultursenator und davon zu reden, dass die Freie Szene „mehr Verantwortung übernehmen“ sollte, fühle sich an „wie ein Schlag ins Gesicht“. Sie sagt: „Wenn an Errungenschaften wie dem freien Museumssonntag gespart wird, ist klar, dass sich die Einsparungen nicht nur gegen Künstler:innen, sondern generell gegen die ärmeren Bevölkerungsschichten richten.“
Atelierräume in Gefahr
Kritik an der Sparorgie kommt auch von den Atelierbeauftragten Julia Brodauf und Lennart Siebert, die eine geharnischte Erklärung veröffentlichten. „Die Kürzungen gefährden nach wie vor die Zukunft der Bildenden Künstler:innen in Berlin“ ist diese überschrieben.
Brodauf und Siebert leiten das Atelierbüro im Kulturwerk des bbk berlin, einer gemeinnützige Tochtergesellschaft des Berufsverbandes Bildender Künstler:innen Berlins – diese hat zum Ziel, gute Rahmenbedingungen für die künstlerische Produktion zu schaffen. Genau die werden mit den Sparvorgaben schlechter.
Das Atelierbüro besteht seit über 30 Jahren und vermittelt geförderten Atelierraum. Dazu werden Räume in landeseigenen Immobilien betreut, zudem werden Räume vom freien Markt angemietet und subventioniert untervermietet. Im Programm befinden sich 1.050 Ateliers für Bildende Kunst und 100 Atelierwohnungen.
Daneben wurde ein Raumangebot für die anderen künstlerischen Sparten – Darstellende Kunst, Tanz, Literatur, Musik und Projekträume – entwickelt und mit der Kulturraum gGmbH eine zentrale Organisationseinheit geschaffen, mit der auch das Atelierbüro zusammenarbeitet. 600 Räume befinden sich derzeit noch im Ausbau. „Unstrittig war bisher quer durch alle politischen Bekenntnisse, dass das Arbeitsraumprogramm weiter ausgebaut werden sollte“, heißt es in der Erklärung. „5.000 Räume bis 2030! Das war die Devise auch von Kultursenator Chialo.“ Erinnert wird an dieser Stelle an die Rettung der Uferhallen. „Nun werden die bisher bestehenden und geplanten 2.600 vorhandenen Räume dezimiert und damit alle dort arbeitenden Künstlerinnen und Künstler in Gefahr gebracht.“
Unsicherheit in den Uferhallen
Aus dem Haushaltstitel zum Ausbau von Arbeitsräumen in landeseigenen Immobilien werden 18 Millionen gestrichen. Und das Arbeitsraumprogramm für den Erhalt bestehender Räume werden doch „nur“ 5 Millionen gekürzt, trotzdem sind das knapp 20 Prozent und damit ein überproportional hoher Betrag, dessen Kürzung die Einkommensschwächsten in der Kulturlandschaft betreffen würde. Überdies, so heißt es in dem Brief: „Mit dem verbindlichen Kommentar, die Kulturraum gGmbH abzuschaffen, wird eine knappe Anweisung getroffen, deren Auswirkungen überhaupt nicht abzusehen sind.“
Hansjörg Schneider ist bildender Künstler, der in den Uferhallen im Wedding arbeitet, er ist stellvertretender Vorsitzender im Uferhallen e. V.. „Wir sind total alarmiert“, sagt Schneider der taz. Mit „Wir“ sind rund 150 Menschen gemeint, die in den Uferhallen im Wedding arbeiten. „Wir sind ein Ort, der durch starke Diversität geprägt ist“, sagt Schneider. Alle Kunstsparten von der Klassik bis zur Clubkultur arbeiten hier.
Die Uferhallen, ein ehemaliges Industriegelände, beherbergen neben Ateliers und Atelierwohnungen auch Tanz- und Proberäume, Tonstudios, eine Konzert- und eine Ausstellungshalle, Werkstätten und Veranstaltungsräume. „Darüber, das Kürzungen auf uns zukommen könnten“, sagt Schneider der taz, „wurde ja schon lange gemunkelt, aber es wurde seitens der Politik nie offen darüber gesprochen. Und die große Kürzung des Arbeitsraumprogramms ist bestürzend und hat bei uns große Angst ausgelöst.“
Vor einem Jahr noch haben die Uferhallen ihre Rettung gefeiert. 2017 war das Gelände an private Eigentümer verkauft worden. „Wir dachten damals, dass das unser Aus bedeuten könnte.“ Doch es kam anders. Im Dezember 2023 verkündete Kultursenator Chialo, dass die Uferhallen gerettet sind. Das Konstrukt: Die neuen Eigentümer vermieten nicht direkt an die Künstler:innen, sondern an das Land Berlin. Und weil das so direkt nicht geht, hat die Kulturraum Berlin gGmbH den Generalmietvertrag übernommen. „Dieser wurde noch in den letzten Tages des Jahres 2023 unterzeichnet. Wir konnten aufatmen“, erinnert sich Schneider.
Ebenjene Kulturraum Berlin gGmbH soll nun abgeschafft werden. „Wer kann dann diesen Vertrag erfüllen?“ – diese Frage treibt Schneider um. Auch die Unsicherheit. „Bislang können wir nur spekulieren, wie groß die Kürzung bei uns am Ende sein wird, darüber haben wir bislang keine konkreten Aussagen erhalten“, sagt Schneider. „Wir müssen, wie alle anderen auch, den 19. Dezember abwarten.“
Hansjörg Schneider, Uferhallen
Ist Schneider sauer auf die Landespolitiker? „Es hätte ja Gelegenheit gegeben, diese Vorhaben früher öffentlich zu machen, um den betroffenen Einrichtungen eine Chance zu geben zu widersprechen. Und vielleicht hätte man konstruktive Vorschläge machen können“, sagt Schneider. „Das ist versäumt worden. Das ist sehr ärgerlich und bitter.“
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