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Spannungen in Bosnien und HerzegowinaNicht instrumentalisieren lassen

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

In Bosnien und Herzegowina keimt eine zivile Bürgerbewegung auf. Um sie zu schützen, müssen die nationalistischen Kräfte im Zaum gehalten werden.

Bakir Izetbegović, Präsident der Partei der demokratischen Aktion (SDA) Foto: Samir Jordamovic/Anadolu Agency/afp

D ie Diskussionen der letzten Tage und der Wirbel um den Hohen Repräsentanten Christian Schmidt in Bosnien und Herzegowina zeigen wieder einmal auf, wie fragil die Lage im Land ist. Kroatische Extremisten drohen, nach den Wahlen ihr Projekt „Dritte Entität“ mit Gewalt durchzusetzen. Der Chef der muslimischen Nationalpartei SDA, Bakir Izetbegović, spricht davon, man sei nicht wehrlos, man habe viele junge Männer, die bereit seien zu kämpfen. Und die Führung der serbischen Teilrepublik will ohnehin das Land spalten. Von den nationalistischen Gruppen ist keinerlei Lösung für die Zukunft des Landes zu erwarten.

Umso wichtiger ist, dass die internationalen Institutionen, vor allem der Hohe Repräsentant, die destruktiven politischen Kräfte im Zaum halten und die zivilen politischen Bewegungen des Landes unterstützen. Die Demonstrationen in Sarajevo zeigen etwa, dass es in der Bevölkerung eine tiefe Sehnsucht nach Normalität, nach demokratischen Reformen, einem Rechtsstaat und der Integration in die Europäische Union gibt.

Für die Nationalisten und Profiteure des jetzigen ethnisch definierten Raubtierkapitalismus ist diese Bürgerbewegung ein rotes Tuch. In Sarajevo fürchtet die SDA, bei den Wahlen krachend zu verlieren. Und den serbischen und kroatischen Nationalisten laufen die jungen Menschen davon. Alle Nationalisten brauchen die von ihnen provozierten Spannungen, um ihr Klientel bei der Stange zu halten.

Das Amt des Hohen Repräsentanten ist deshalb nach wie vor ausschlaggebend für die Stabilität des Landes. Christian Schmidt darf sich von keiner Seite instrumentalisieren lassen und muss fest auf den Grundsätzen westlicher Werte stehen. Wenn diesbezüglich Zweifel entstanden sind, liegt es am Repräsentanten, diesen Verdacht auszuräumen.

Er hätte dem kroatischen Druck mit Transparenz begegnen können. Das hätte Vertrauen geschaffen. Die Zeit von Hinterzimmerdeals ist vorbei. Für eine klar umrissene offene Politik braucht Schmidt aber auch die politische und sogar militärische Unterstützung der liberalen Demokratien.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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2 Kommentare

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  • Hätte Schmidt seinen Job richtig gemacht, dann hätte er den kroatischen Vorschlag von Anfang an nicht mal ernst genommen. Das es so weit eskalierte und erst Proteste nötig waren ist allein seine Schuld.

  • Christian Schmidt: Das ist der gleiche Typ, der dafür gesorgt hat, die Zulassung für Glyphosat zu verlängern, weil sein Zuständiger statt der Enthaltung für Deutschland zugestimmt hat. Habe leider keinerlei Vertrauen in ihn, dass er sich an rechtsstaatliche Prinzipien hält, wo er diese doch selbst untergräbt.