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■ Am RandeSpanischer Komödienstadl

Es scheint zu stimmen: Zuviel Fernsehkonsum führt zu verschwommener Wahrnehmung von Realität und Fiktion. Jüngstes Beispiel: Miguel Angel Rodriguez, Sprecher der konservativen spanischen Regierung von Aznar. Der hatte dem Direktor des Privatsenders Antena3, Antonio Asensio, telefonisch mit Gefängnis gedroht, weil der sich statt mit dem Staatssender RTVE mit Canal+ verbunden hatte, um die Fußballrechte fürs Digitalfernsehen zu verwerten.

Diese Woche nun mußte er sich vor dem Verfassungsausschuß des spanischen Parlaments rechtfertigen. Die Drohungen seien nicht etwa eine Attacke gegen die Presse, sondern das letzte Kapitel eines miserablen Films zur Diffamierung der konservativen Regierung. „Produktor, Drehbuchautor und Regisseur des Spektakels ist die Sozialistische Partei, Herr Asensio der Hauptdarsteller“, eröffnete Rodriguez den staunenden Volksvertretern.

Eine tolle Metapher: Nach dem der Regierungssprecher noch im ersten Kapitel der Skandalserie bestritt, je mit Asensio telefoniert zu haben, und im zweiten dann immerhin „freundschaftlichen Kontakte“ eingestand, trug die dritte den Titel: „Angriff ist die beste Verteidigung“. Der Exregierungschef und jetzige Oppositionsführer Felipe González habe alles erfunden und Asensio sei aus „Geschäftsinteresse“ in die „Kampagne zur Schädigung der Regierung“ eingestiegen. Komödienstadl in Espana.

Die Kritiker geben sich verhalten: Beifall gibt es nur aus den Reihen der regierenden Volkspartei (PP). Die Sozialisten reagierten mit einem bitteren Verriß und warfen Rodriguez „politischen Provinzionalismus“ vor.

Regierungschef Aznar möchte die Serie mit Rodriguez dennoch nicht absetzen. „Die Opposition wird darüber nicht traurig sein. Sie reibt sich allein bei dem Gedanken, was für Probleme er Aznar noch bescheren kann, wenn er weitermacht, die Hände“, prophezeite die Tageszeitung El Pais in ihrer Programmvorschau am Tag vor dem Parlamentsauftritt.Reiner Wandler

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