Spaniens Sozialisten bei der Europawahl: Linke Wähler schließen die Reihen
Viele hatten erwartet, dass Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez bei der Europawahl abgestraft würde. Doch es kam anders.
Die PSOE liegt genau vier Prozentpunkte hinter der PP und schickt 20 Abgeordnete ins neue Europaparlament. Die sozialistische Spitzenkandidatin und bisherige Ministerin für den Ökologischen Umbau, Teresa Ribera, sprach in der Wahlnacht zufrieden von einer „erfolgreichen Aufholjagd“, sahen doch die Umfragen die PP noch vor wenigen Wochen im knapp zweistelligen Bereich vor den Sozialisten.
Das unbeliebte Amnestiegesetz für Katalanen, die einst das Unabhängigkeitsreferendum vorbereitet und durchgeführt hatten, Korruptionsvorwürfe gegen den Berater eines Ex-Ministers und Ermittlungen gegen die Ehefrau von Sánchez, Begoña Gómez, wegen Einflussnahme auf die Politik ihres Mannes – alles sprach gegen die Sozialisten. Auch wenn die Polizei keine Belege für die Vorwürfe finden konnte, ermittelt der Richter weiter und die PP lässt keinen Tag vergehen, ohne Sánchez wegen vermeintlicher Korruption anzugreifen.
Doch das hat ganz offensichtlich dazu geführt, dass die sozialistische Wählerschaft die Reihen schloss und verstärkt an die Urnen ging. Auch wenn die PP „einen neuen Zyklus“ beschwört, der nur damit enden könne, dass Feijóo bei den kommenden Parlamentswahlen in drei Jahren in den Regierungspalast einziehe, spricht die Presse von einem „technischen Patt“ und einem Sánchez, der Stärke beweist.
Links von Sánchez bleibt nicht viel
Diese angespannte politische Lage in Spanien schadete besonders dem Spektrum links der Sozialisten. Der kleine Koalitionspartner – die linksalternative Sumar – blieb mit gerade einmal 4,6 Prozent und drei Sitzen weit hinter den Erwartungen zurück. Schließlich hatte das Parteienbündnis bei den Parlamentswahlen 2023 12,3 Prozent.
Die zweite linksalternative Kraft – Podemos – die vor genau zehn Jahren mit einem Achtungserfolg bei den Europawahlen auf sich aufmerksam gemacht hatte und zu besten Zeiten über fünf Millionen Stimmen auf sich vereinigen konnte, rettete sich mit 3,3 Prozent und zwei Sitzen vor dem endgültigen Untergang. Die ehemalige Gleichstellungsministerin Irene Montero ist eine der beiden EU-Abgeordneten.
Der Erfolg der PP ist vor allem dem völligen Verschwinden der rechtsliberalen Ciudadanos zu verdanken. Die Konservativen legten gegenüber 2019 um zehn Sitze zu. Ciudadanos, die bisher sieben Abgeordnete stellte, fliegt mit gerade einmal noch 0,6 Prozent in hohem Bogen aus der Europavertretung.
Insgesamt hat sich auch die spanische Politiklandschaft deutlich nach rechts verschoben. Rechtsaußen konnte VOX mit 9,6 Prozent ihre Abgeordneten von drei auf sechs verdoppeln.
Und völlig überraschend zieht die neue Formation „Das Fest ist vorbei“ mit drei Abgeordneten (4,6 Prozent) ins EU-Parlament ein. Die Formation rund um Alvise Pérez, ein rechtsradikaler Politikaktivist und Verschwörungstheoretiker, der lange in Ciudadanos aktiv war, machte in den Netzwerken mit Fakenews, Ausländerfeindlichkeit, Antifeminismus und Verschwörungen von sich Reden und hat damit vor allem bei jungen, männlichen Wählern Erfolg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht