Spätaussiedler vor der Wahl: Nur Feinde oder Freunde
Die AfD hofft auf viele Stimmen von Russlanddeutschen. Doch die sind großteils noch immer für Merkel – und wehren sich gegen Vorurteile.
Die drei weißhaarigen Männer vor ihm sind sozusagen seine Feinde. Sie sagen Dinge wie: „Wenn wir über unsere Kultur sprechen, dann müssen wir über ihr Aussterben sprechen.“ Strohmaier lässt sie aussprechen, geht aber nicht weiter auf ihre Bemerkungen ein. Er kennt die Männer, vor allem den einen, der sich Papa Schulz nennt. Sie gehören zum rechten Spektrum unter den Russlanddeutschen. Zu dem Spektrum, über das die Medien in letzter Zeit viel berichteten und das Strohmaier vehement bekämpft.
Nach dem Forum sitzt der 63-Jährige im Nebenraum bei einer Tasse Kaffee und lacht. Gegenwind ist er gewöhnt. „Wir haben nur Feinde oder Freunde“, sagt er über die Landsmannschaft. Sein Akzent verrät die Herkunft. Strohmaier wurde als Sohn deutscher Eltern in Sibirien geboren. „Staflager 525“. Aufgewachsen ist er in Usbekistan, wo er zur ersten Generation der deutschen Minderheit gehörte, die studieren durfte. 1987 floh er zunächst in die DDR, zwei Jahre später in die BRD – kurz vor dem Fall der Mauer. „Die Geschichte wollte mich einholen“, sagt er.
Für Aufklärung, gegen Vereinnahmung
Seit drei Jahren ist Strohmaier stellvertretender Vorsitzender der Landsmannschaft. Er kämpft für Aufklärung und – gegen die Vereinnahmung durch die AfD. Dafür hat er schon Morddrohungen erhalten, auf Facebook wird er regelmäßig beschimpft. Ob er der Partei dankbar für die gewonnene Aufmerksamkeit der Russlanddeutschen ist? Er schüttelt den Kopf. „Die benutzen uns nur für ihre Propaganda.“ Konkrete Unterstützung gebe es nicht. Trotzdem sei das Bild, das zuletzt in den Medien entstanden ist, nicht repräsentativ. Der Großteil der Russlanddeutschen unterstütze Merkel.
Auch Strohmaier ist CDU-Mitglied. Doch er sieht sich nicht als Wahlhelfer. Ihm ist wichtig, dass alle demokratischen Parteien auf die Russlanddeutschen zugehen. Dabei geht es ihm vor allem um ein Thema: die Rente. „Wir wollen die Parteien für Themen wie Altersarmut sensibilisieren. Denn wir glauben, dass ist vor allem ein russlanddeutsches Problem“, sagt er.
Seit 1991 wurden die Renten der Spätaussiedler durch das Fremdrentengesetz immer weiter gesenkt. Seit 1996 bekommen sie nur 60 Prozent der bundesdeutschen Rente. Damals wurde die Höhe der Rente an die sogenannte Ostrente gekoppelt, doch die stieg immer weiter an, die Fremdrente nicht. „Populistisch würde das heißen: Unsere Kinder sind nur 60 Prozent der deutschen Kinder wert“, fügt Strohmaier hinzu.
Für das Thema Fremdrente gehen er und seine KollegInnen quasi auf Wahlkampftour. Die CDU ist bisher die einzige Partei, in deren Regierungspapier explizit steht, dass sie die Benachteiligung der Spätaussiedler abschaffen will. Immerhin geht es um 1,5 Millionen Wahlberechtigte der insgesamt drei Millionen Russlanddeutschen.
Wenn es darauf ankommt, ist die AfD nicht da
Ein Treffen mit Merkel gab es schon, auch mit der Linken. Nur die SPD sei nicht auf sie zugegangen. Und das, obwohl soziale Gerechtigkeit doch das größte Wahlkampfthema der Sozialdemokraten ist. Nach langem Warten hat Strohmaier an diesem Nachmittag ein Treffen mit der Spitzenkandidatin Eva Högl erreicht.
Aus dem Nebenraum dringen Akkordeonklänge und eine Mädchenstimme. Gleich beginnt hier die Podiumsdiskussion mit den Parteien. Sie sollen die Möglichkeit haben, sich zur Politik gegenüber den Russlanddeutschen zu positionieren. Nur die AfD ist nicht vertreten. Lilli Bischoff, Strohmaiers Kollegin, steht am Seiteneingang und schielt auf die Bühne. „Dass die nicht hier sind, zeigt doch nur, dass sie eine populistische Partei sind“, sagt sie. „Die sagen, sie wollen sich für uns einsetzen, aber wenn es drauf ankommt, sind sie nicht da.“
Kurz darauf stehen Lilli Bischoff und Ernst Strohmaier vor dem Gebäude und warten auf ihren Fahrer. In einer Stunde beginnt das Treffen mit der SPD-Bundestagsfraktion. Waldemar Eisenbraun, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft, eilt zu ihnen herüber „Wir sollten unbedingt noch einmal unser Unverständnis äußern, dass es kein Spitzentreffen gab“, sagt er zu den beiden. „Wir sind denen so lange hinterhergerannt.“ Strohmaier nickt. „Am besten sie würden eine Erklärung abgeben. Wir könnten ihnen anbieten, im Gegenzug ein gemeinsames Foto zu posten.“ Lilli Bischoff und Ernst Strohmaier verabschieden sich.
Zwei Tage später sagt Strohmaier am Telefon nur: „Das Treffen war wichtig.“
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