Sozialministerin plant Mediencharta: Im Auge behalten
Die niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan sorgt mit einer "Mediencharta" für Ärger bei Journalisten. Der Publizist Giordano wirft ihr Gleichschaltung vor.
Ralph Giordano ist empört, mal wieder. Der greise Publizist aus Köln hat der niedersächsischen CDU-Sozialministerin Aygül Özkan vorgeworfen, die Medien in ihrem Bundesland "gleichschalten" zu wollen. In einem Pamphlet, das die Nordwest-Zeitung in Oldenburg am Samstag abdruckte, warnte er die Ministerin großspurig, er werde sie "künftig ganz fest im Auge" behalten.
Die türkischstämmige Sozialministerin hatte gehofft, die niedersächsischen Medien zu einem gemeinsamen Kurs in der Berichterstattung über Integration verpflichten zu können. Ihre per E-Mail verschickte Einladung zu einem Gespräch war aber auf scharfe Kritik gestoßen. Lokale Medien wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung, die Nordwest-Zeitung und auch der NDR empfanden sie als bevormundend, auch die Opposition im Landtag kritisierte Özkans Pläne einer "Mediencharta" einhellig.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) nannte die Pläne "völlig überflüssig". "Die Inhalte fließen bereits in die tägliche Arbeit der Journalisten ein", sagte die Geschäftsführerin des Landesverbandes Niedersachsen, Elisabeth Harries. Nur der Verband nordwestdeutscher Zeitungsverlage (VNZV) begrüßte Özkans Initiative - jedenfalls, so weit es sich dabei um eine Anregung zu einer freiwilligen Selbstverpflichtung handele. Ob es sich einer solchen "Charta" anschließe, müsse aber letztlich jedem Medium selbst überlassen bleiben.
Unterdessen ist die Ministerin bemüht, die Wogen zu glätten. "Nichts liegt mir ferner, als die Unabhängigkeit der Medien in irgendeiner Form zu berühren", sagte Özkan, die bereits vor ihrer Vereidigung in die Schlagzeilen geraten war, weil sie das Kruzifix in Klassenzimmern infrage gestellt hatte. Es gehe ihr nicht um einen "Maulkorb" für die Presse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?