Sozialdemokraten in Norwegen: Arbeiterpartei in der #metoo-Krise
Die Partei steckt schon seit der Wahl im vergangenen Herbst in der Krise. Jetzt muss ihr Vize wohl wegen Belästigungsvorwürfen gehen.
Damit vollzog der Vorsitzende binnen zwei Wochen eine 180-Grad-Wende. Mitte Dezember hatten mehrere Zeitungen von Frauen berichtet, die sich bei der Parteiführung über Giskes „unpassende und unerwünschte Annäherungen sexueller Art“ beklagt hatten. Die Vorwürfe hatte Gahr Støre damals noch zurückgewiesen: So etwas könne er sich nicht vorstellen. Zu Giske habe er volles Vertrauen.
Es bedurfte erst eines öffentlichen Aufrufs mehrerer führender weiblicher Parteimitglieder, die entsprechende Anschuldigungen bestätigten. Sie berichteten über eine in der Partei seit Jahren weit verbreiteten „Unkultur“, bei der Frauen immer wieder beklagten, sich gegen unerwünschte Annäherungsversuche wesentlich älterer Genossen wehren zu müssen. Nun meldete Giske sich krank und gestand „unpassendes und nicht akzeptables Benehmen“ ein, für das er sich „in aller Form entschuldige“ – und Gahr Støre versprach eine umfassende Prüfung.
Was dann zwischen Weihnachten und Neujahr passierte, beschrieb die linke Tageszeitung Klassekampen als „seit Jahren schwerste Krise der Sozialdemokraten“. Das liberale Dagbladet sprach von der „auseinanderbrechenden Führung“ einer Partei, „die einmal für eine Frauenrevolution stand und die Frauen jetzt verraten hat, um Männer zu beschützen“.
Seit Jahren von den Vorwürfen gewusst
Hadia Tajik, selbst stellvertretende Parteivorsitzende, warf der Parteispitze vor, seit Jahren von Vorwürfen gegen Giske gewusst, darauf aber „nicht adäquat reagiert“ zu haben: „Diese Informationen sind für mich empörend, als Mensch, stellvertretende Vorsitzende und Juristin.“ Die Osloer Kommunalpolitikerin Line Oma konstatierte selbstkritisch: „Wir haben den Elefanten im Raum nicht thematisiert.“
Im Sommer waren Norwegens Sozialdemokraten noch als große europäische Ausnahme gehandelt worden: keine Partei in der Krise, sondern im Aufschwung, und kurz davor, wieder Regierungspartei zu werden. Nach der unerwarteten Wahlniederlage im September, für die viele in der Partei den Rechtskurs von Gahr Støre verantwortlich machten, steht der Parteivorsitzende nun für sein Verhalten im Fall Trond Giske erneut in heftigster Kritik.
Die Zweifel an seinen Führungsfähigkeiten seien damit noch gewachsen, kommentiert Dagbladet: Er trage schwere Verantwortung für das klägliche Bild, das Norwegens größte Oppositionspartei derzeit biete.
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