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Sorgerecht und Unterhalt nach TrennungErzeuger und Geldmaschine

Wer seine Kinder nach einer Trennung weniger als zur Hälfte betreut, muss den gesamten Unterhalt zahlen. Oft ist das der Vater.

Moderne Modelle der Betreuung von Trennungskindern gibt es schon länger. Im Gesetz sind sie aber noch nicht angekommen. Bild: dpa

BERLIN taz | Sie wollten alles ganz einfach halten nach der Trennung. Halbe-halbe. Eine Woche wären die beiden Kinder, die achtjährige Tochter und der sechsjährige Sohn, bei Vater Ralf* und eine bei Mutter Claudia. Aber damit kam Claudia nicht klar. Sie könne nicht so lange ohne die Kinder leben, meinte sie. Vor Gericht dann hieß es, die Kinder seien bei ihr besser aufgehoben.

Die Folge: Sie bekam sie acht Tage am Stück und Ralf dann sechs. Was er nicht wusste: Claudia bekommt trotzdem den vollen Unterhalt für die Kinder – soweit der Vater zahlungsfähig ist. In Ralfs Fall, er verdient nicht viel, sind das 360 Euro im Monat. So will es das Gesetz: Derjenige, der die Kinder kürzere Zeit betreut, und sei es nur ein Tag weniger, zahlt trotzdem den vollen Unterhalt.

„Das ist irre“, sagt Ralf, „denn während die Kinder bei mir sind, gebe ich natürlich auch Geld für sie aus: den Urlaub, das Essen, die Klamotten, Spielzeug, Medikamente. Das macht etwa 350 Euro pro Monat. Ich habe es mal ausgerechnet, weil ich aus dem Dispo gar nicht mehr rauskam: Bei meinem geringen Nettolohn bleiben am Ende des Monats minus 36 Euro für mich übrig.“

Das ganze Geld, das er für die Kinder ausgibt, während sie bei ihm sind, zählt für die Gerichte nicht. „Kein Wunder, dass sich Väter vorkommen wie eine Geldmaschine“, sagt Ralf. „Wer sich um seine Kinder mehr kümmern will als die üblichen zwei Wochenenden im Monat, wird massiv bestraft.“

Veraltetes Gesetz

Warum ist das so? Weil das Familienrecht so langsam ist. Im BGB ist für den Fall einer Trennung der Eltern festgehalten, dass eine(r) die Kinder betreut und eine(r) bezahlt. Das ist in Paragraf 1606 geregelt, der die Unterhaltsverpflichtung zum Thema hat. In Satz 3,2 heißt es dort: „Der Elternteil, der ein minderjähriges unverheiratetes Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.“ Eine beiderseitige Betreuung im Wechsel ist schlicht nicht vorgesehen.

Rechtslage in Deutschland

Bisher geht das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) davon aus, dass nach einer Trennung ein Elternteil das Kind betreut und der andere dafür Unterhalt zahlt.

Der Kindesunterhalt wird anhand einer Tabelle, die das Düsseldorfer Oberlandesgericht jährlich erstellt, errechnet. Die sogenannte Düsseldorfer Tabelle sieht z. B. bei einem Nettoeinkommen von 2.301 bis 2.700 (vierte Stufe) für ein 6- bis 11-jähriges Kind einen Unterhalt von 419 Euro vor. Verdient man weniger (3. Stufe), ermäßigt sich der Unterhalt um 18 Euro. Das Kindergeld wird zur Hälfte angerechnet. Der Selbstbehalt beträgt in der Regel 1.000 Euro. Erst wenn man mehr als diesen Betrag zur Verfügung hat, beginnt die Unterhaltspflicht.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich bisher in zwei Entscheidungen mit Vätern beschäftigt, die weniger Unterhalt zahlen wollten, weil sie ihre Kinder in erheblichem Umfang selbst betreuten. Im Beschluss vom 12. 3. 2014 – XII ZB 234/13 heißt es, dass der Barunterhalt um eine oder mehrere Stufen der Düsseldorfer Tabelle herabgesetzt werden kann, wenn der Unterhaltspflichtige sein Umgangsrecht „weit über das übliche Maß hinaus“ wahrnimmt. Allerdings wurde in diesem Fall, in dem der Vater Unkosten von bis zu 400 Euro hatte, der Unterhalt nur um eine Stufe herabgesetzt, was dem Vater eine Ersparnis von 18 Euro einbrachte.

In einem ähnlichen Fall (21. 12. 2005 – XII ZR 126/03) wurde gebilligt, dass ein Vater, der sein Kind zu einem Drittel selbst betreute, in der Düsseldorfer Tabelle eine Stufe herabgesetzt wurde.

Rechtlich kann der Elternteil, der das Kind „in Obhut“ hat, dessen Anspruch auf Unterhalt beim anderen Elternteil geltend machen. In Obhut hat man das Kind, wenn es mehr als 50 Prozent der Zeit bei diesem Elternteil verbringt. Im Fall von Claudia und Ralf sind die Kinder also in ihrer Obhut. Und er zahlt.

Ralf hat den Eindruck, dass das Ganze System hat. Und das System arbeitet für Claudia. „Das Sorgerecht für unsere Tochter haben wir noch geteilt. Bei unserem Sohn hat das Amt sie dann „beraten“. Es ist erstaunlich, dass das ganze System noch davon ausgeht, dass ein Kind mehr zur Mutter als zum Vater gehört – ich dachte, das sei lange passé.“

Sie hat dann das alleinige Sorgerecht bekommen. Warum? „Sie war damals, als die Kinder kamen, zu Hause – und ich schaffte das Geld ran. Damit habe ich aber nun quasi das Recht verwirkt, für meine Kinder da zu sein“, so sein Eindruck. Sie verbrachte mehr Zeit mit den Kindern.

Strengere Ansagen

Er hatte einen anderen Erziehungsstil, machte strengere Ansagen. Er ließ die Kinder aber auch mehr allein ausprobieren, las auf dem Spielplatz Zeitung, während die Mutter das Modell Helikopter pflegte – all das verwandte sie nun gegen ihn: Er kümmere sich nicht genug, vernachlässige die Kinder. „Plötzlich wird es so gedreht, als sei ich deshalb als Vater weniger geeignet. Ich wäre nicht in der Lage, unsere Kinder zu erziehen“, erzählt Ralf.

Besonders nach einer Trennung haben es Väter nicht immer leicht. Ralf ist ernüchtert: „Mir ist jetzt erst so richtig aufgefallen, was es heißt, im Patriarchat zu leben. Mit Geschlechterfragen habe ich mich vorher nie beschäftigt. Aber jetzt wird mir klar, wie alles ineinandergreift. Wie ich in die Ernährerrolle geraten bin – und wie mir das nun auf die Füße fällt. Das System diskriminiert nicht nur Frauen, es diskriminiert auch Männer.“

Dem deutschen Familiengerichtstag, dem Forum der FamilienrichterInnen, ist diese Konstellation bekannt. Mehrere Arbeitsgruppen haben sich schon mit der Frage beschäftigt, wie hier mehr Gerechtigkeit einziehen kann. Heinrich Schürmann ist Familienrichter und an der Diskussion beteiligt. Er kritisiert insbesondere die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in dieser Frage. Der BGH hat gerade erst in diesem März geurteilt, dass ein Vater, der fast zum gleichen Teil wie die Mutter für sein Kind sorgt, kaum entlastet werden muss.

Im konkreten Fall waren es nur 18 Euro im Monat, die er weniger zahlen musste. „Allein das Zimmer für das Kind kostet schon 90 Euro im Monat“, kommentiert Schürmann. Seine Erklärung: „Die Rechtsprechung hat ein großes Beharrungsvermögen und reagiert nur verhalten auf gesellschaftliche Veränderungen.“ Die Deutschen seien den Anspruch auf Gleichberechtigung einfach noch nicht gewöhnt. „In Norwegen ist das anders: Da ist völlig klar, dass beide Eltern für alles zu sorgen haben.“

Benachteiligung der Väter?

Beim Verband alleinerziehender Mütter und Väter kennt man das Problem und versucht eine Erklärung: „Das Wechselmodell, bei dem das Kind hälftig von beiden Eltern betreut wird, ist relativ neu“, erläutert die Vorsitzende Edith Schwab. „Insbesondere nachdem das neue Unterhaltsrecht von 2008 Frauen nach einer Scheidung dazu verpflichtet, schneller wieder erwerbstätig zu werden, steigt natürlich deren Interesse daran, dass die Kinder in dieser Zeit vom Vater betreut werden“, meint sie. Das Familienrecht sei daran noch nicht angepasst: „Man muss da eine Modifizierung finden“, formuliert sie vorsichtig. Einen Vorschlag dazu hat der Verband noch nicht.

Die Männerlobby, das „Bundesforum Männer“ kritisiert die bisherige Regelung scharf: „Das ist unserer Ansicht nach eine klare Benachteiligung der Väter“, sagt der stellvertretende Vorsitzende des Verbands, Hans-Georg Nelles, der taz. Den Vätern werde „die Möglichkeit genommen, eigene Arbeitszeiten zu reduzieren und den Betreuungsaufwand für ihre Kinder zu erhöhen.

Damit werden alte Rollenzuschreibungen zementiert, Väter bleiben Ernährer und Mütter erleiden als Alleinerziehende Nachteile auf dem Arbeitsmarkt.“ Auch das Bundesforum regt an, den BGB-Paragrafen 1606 neu zu fassen: „Wir bedauern es, dass die Politik, die in den vergangenen 50 Jahren das BGB an vielen Stellen entrümpelt hat, trotz der seit Jahrzehnten verfolgten Gleichstellungspolitik an dieser veralteten Regelung festhält.“

Warum tut sie das? Warum ändert sich nichts? Schürmann vermutet: „Das ist ein hochemotionaler Bereich. Die Politik traut sich da nicht heran. Sie hat Angst vor einem Aufstand der Mütter.“ Ralf sucht weiter nach einer Lösung, die ihm die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht. „Ich war auch mal in so einer Vätergruppe, aber da ist es krass. Da herrscht eine Subkultur des Leidens. So will ich nicht sein.“ Was bleibt ihm? Schwarzarbeiten, damit er nicht noch mehr Unterhalt zahlen muss. So will es das System.

* Namen geändert

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25 Kommentare

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  • Hm, naja! Sie geizen ja nicht gerade mit Mutmaßungen und widerlegbaren Aussagen.

    Ich fasse mich kurz:

    1. Vom Ralf steht nix darüber, er hätte zuvor mit Abwesenheit geglänzt.

    2. Selbst wenn er das Familieneinkommen zu 100% erwirtschaftet hätte, wäre er nicht automatisch von täglicher Anwesenheit zur 48-Stunden Bespaßung (in dem Fall 8:6 Tage) zu degradieren.

    3. Nicht allein Ralf beschäftigt sich mit dem Thema Unterhaltszahlungen, die Mutter besteht auf den Bezug derselben.

    4. Wechselmodelle (es gibt mehr als DAS), werden dort abgelehnt, wo es gilt Besitzstand zu verteidigen und nicht selten Narzissmus gepflegt wird.

    5. Kinder werden nicht gefragt ob sie das Wechselmodell möchten, sondern es wird ermittelt und bestimmt bei wem sie ihren Lebensmittelpunkt in Zukunft haben. Deutsche Familiengerichte haben bisher nur vereinzelt Wechselmodelle angeordnet. Einfach geht da nix.

    6. Die offensichtlichen Gründe sind, dass Kinder von sog. Alleinerziehenden potentiell gefährdeter sind unter die Räder zu geraten.

    7. Kinder wechseln auch, wenn sie Umgang, gemäß bisheriger Rechtsprechung, mit dem anderen Elternteil haben. Wenn Ihr Sohn Auffälligkeiten entwickelt hat, frage ich mich, wer die dafür verantwortlichen Eltern ‚übersehen‘ hat?

    8. Wer zu 1.-6. auf die Barrikaden steigt, zu 7. eine mäßige Entwicklung des eigenen Nachwuchses beklagt und mit„Jammerartikel zu…“ abschließt, tut mir leid, weil nichts verstanden.

  • Dieser Fall ist so typisch für viele Sorgerechtsverfahren. Erst überlässt der Vater die komplette Betreuungsarbeit der Mutter, wie Ralf. Mit der Trennung schafft er es urplötzlich ein Wechselmodell einzurichten. Treiber ist da in sehr vielen Fällen der Unterhalt. Und auch Ralf beschwert sich über den zu zahlenden Unterhalt.

     

    Vielleicht wäre es eine Lösung gewesen, wenn Ralf seine Frau auch zu Ehezeiten unterstützt hätte.

     

    Das Wechselmodell ist höchst umstritten. Denkt Ralf an seine Kinder? In der Regel werden Kinder auch nach ihren Wünschen gefragt. Anscheinend wollten Ralfs Kinder kein Wechselmodell, sonst hätte das Gericht es einfach angeordnet. Das geht nämlich auch gegen den Willen der Mütter.

     

    Väterverbände propagieren dieses Betreuungsmodell aus der offensichtlichen Gründen.

     

    Für ein Kind stellt es eine maximale Belastung dar ständig zu wechseln. Unser Sohn ist nach einem Jahr Wechselmodell in psychologischer Betreuung und hat massive Trennungsängste entwickelt.

     

    Ich finde die TAZ mit ihren Jammerartikeln zu "Die armen gebeutelten Vätern" immer unsympathischer und habe sie früher immer sehr gerne gelesen.

  • Der betreffende "Ralf" soll doch einfach aufstocken. Den gezahlten Kindesunterhalt kann er dann vom Einkommen abziehen lassen (§11b..Nr. 7 SGBII) und erhält seinen Bedarf und den der Kinder ergänzend vom Jobcenter. Siehe auch www.umgangskosten.de

     

    Solange der Kindesunterhalt zu Armut per Gesetz führt, muss man die Gesetze nutzen um Armut trotz Arbeit zu beheben.

  • Offenbar ist auch der VAMV mit dem "Patriarchat" höchst zufrieden. Ansonsten hätten die dortigen Damen längst ihre Komfortzone verlassen und Vorschläge für das "neue" (hahaha) Wechselmodell gebracht. Die böse Väterlobby kann schon seit mehr als 10 Jahren damit dienen.

  • Es ist schon so lang her, dass ich den Fromm gelesen habe... Gilt der noch?

    • @lichtgestalt:

      Mehr den je. Fromm beschrieb prophetisch die Zustände, die heute tatsächlich vorherrschen, wie die Skrupellosigkeit des Finanzsystems und der Politik, die von Persönlichkeits-gestörten Narzissten angeführt werden und führte dies detailiert auf die Entwicklungsstörungen in der Kindheit zurück. Er verband einzigartig Psychologie und Philosophie und das ganze absolut zeitlos. Für mich einer der bedeutensten Philosophen des 20. Jahrhunderts.

      • @lions:

        Fromm hatte ich als Psychoanalytiker in Erinnerung. In den Weiten meines Ikea-Regals habe ich eben „Haben oder Sein" von 1976 (sic!) gefunden.

         

        Umschlagtext aus der "Süddeutschen":

        "Gegen die Besitzgier und das Konsumverhalten, gegen die allgemeine Sexbesessenheit und die öden, rein betriebsamen Freizeitvergnügungen bringt Fromm eine Existenzweise in Erinnerung, die den Menschen statt bloßer Zerstreuung innere Freude, statt leerer Betriebsamkeit schöpferische Aktivität, statt repressiver Besitzgier freie Ich-Du-Beziehung ermöglicht. Es ist ganz klar, dass es heute nötiger ist denn je, solche Leitbilder zu beschwören.“

         

        Hmmmh. Da meinte ich immer, das heutige Elend sei der Ära Reagan, Thatcher, Kohl zu „verdanken“. Dabei ist es viel älter. Hätte ich wissen müssen. „Kunst des Liebens“ erschien wohl später. Das Buch muss ich noch suchen; es kann aber auch von einem meiner Kinder ausgeliehen sein. ;-)

        • @lichtgestalt:

          Als Psychoanalytiker ist er auf die Philosophenspur geraten und ist als solcher mehr als anerkannt. Die Grenzen sind fließend, wie man bei Fromm bemerken durfte. Durch die Psychoanalyse einzelner schloß er auf gesellschaftl. Verknüpfungen, die er als pathogen erkannte, und dies auf eine sich ausweitende narzisst. Gesellschaft und den vom ihm geprägten Begriff des autoritären Charakters zurückführte. Ich kenne keinen anderen, der in diesem Maß die Eingrenzung der Psychologie durchbrochen hat.

           

          "da meinte ich immer, das heutige Elend sei der Ära Reagan, Thatcher, Kohl zu „verdanken“

           

          Haben wir auch, nur Fromm sah es kommen, da die Grundlagen für die Pervertierung der Verhältnisse tief in unserer Kindheit verwurzelt sind, denn es waren die Zeitgenossen, die Reagan und Co zuließen - Eine Symbiose von machtvollen Narzissten und den untergebenen autoritären Charaktern. Letztere brandmarkte Fromm als Scheinopfer der verfehlten Politik der Mächtigen, in dem sie ihre Verantwortung an diese abgaben, um beim Versagen den Sündenbock benennen zu können. Dahinter steckt die Angst vor Eigenverantwortung, die dem autoritären Charakter inne liegt, und durch Fehlentwicklung in der Kindheit entstanden ist.

          Mehr dazu gibt es auch von H.J. Maaz in " Die narzisstische Gesellschaft".

           

          "Die Kunst des Liebens" erschien 1956.

  • Danke an Gesine Fuchs –

    laut Gender Datenreport ist die Mehrzahl der Alleinerziehenden weiblich (ca. 85 Prozent). Und auch in der Praxis - ich habe viel mit Alleinerziehenden zu tun – ist dies so. Außerdem: Selten bis nie will oder kann ein Mann die Zeit für das Kind so investieren.

     

    Für mich spiegelt der Beitrag einen Einzelfall wider.

     

    Nun könnte man fragen: Sind die Alleinerziehenden in der Mehrzahl weiblich, weil eben die Gesetzeslage so ist? Dann halte ich dagegen: Schon bei der Elternzeit halten sich Männer derart zurück - laut statistischen Bundesamt gehen ca. 27 Prozent sehr kurz (zwei Monate meist) Elternzeit. Der der Frauen liegt bei 95 Prozent - und das über sehr lange Zeit ….

     

    Das sagt doch schon viel. Malen wir uns dann mal die Jahre bis zur Volljährigkeit aus - wie da die Aufgabenteilung ist. Selbst bei intakten Paaren ...

    • @Bella:

      Die Grundlagen für die Aufgabenverteilung werden doch schon viel früher gelegt: In den widersprüchlichen Erwartungen und Entscheidungen von Frauen. Einerseits erwarten heutzutage junge Frauen immernoch, dass der (ihr) Mann erfolgreich im Beruf ist und den Unterhalt der Familie besorgt. Daher studieren Frauen auch konsequent am Arbeitsmarkt vorbei und selbst in den harten Fächern wählen sie die Karrierepfade, die nicht hohe Einkommen generieren (Bsp. BWL Marketing oder Personal, Bsp. Jura Richter vs. Anwalt). Andererseits wollen diese jungen Frauen auch, dass der (ihr) Mann zurücksteckt und Zeit in Familie und Haushalt investiert. Sobald Kinder da sind geraten sie dann in die Unvereinbarkeitsfalle. Ausgedehnte Elternzeit und Teilzeit schadet den berufstätigen Männern genauso wie den Frauen, nur verdienen ersterer per se i.d.R. mehr. Daher macht es für das Familieneinkommen sehr wenig Sinn, dass der Hauptverdiener zurücksteckt.

       

      Sie haben es erkannt, die ungleiche Entlohnung ist der Schlüssel. Solange aber "emanzipierte" Frauen von heute immernoch bei all ihren beruflichen Entscheidungen den Plan B (Einkommensstarken Mann) im Hinterkopf haben, wird sich daran nichts ändern.

    • @Bella:

      Fairerweise muss man wohl zugestehen, dass es ein gewisser Teufelskreis ist: Frauen wissen von kleinauf, dass bei ihnen der Kinderwunsch zwangsläufig zu geringeren Erwerbschancen führt. Also versuchen sie auch heute noch vielfach, ihr Bedürfnis nach wirtschaftlicher Sicherheit eher durch entsprechende Partnerwahl als durch die eigene Karriere zu stillen, nehmen sich gern Zeit für die Kinder, erwarten dafür aber auch entsprechende materielle Versorgung durch den Mann - was nebenbei, wenn es gelingt, auch erheblich bequemer und erfüllender ist.

       

      Die (eigentlich stets und immer) paarungswilligen Männer reagieren darauf und setzen ihre Prioritäten entsprechend umgekehrt: Suchen sich eher gutbezahlte als erfüllende Berufe, vermeiden durch ungehemmtes Vollzeitschaffen, dass der Kindersegen ihre Berufschancen gefährdet, zeigen im Job aggressives Durchsetzungsverhalten (das wieder dazu beiträgt, Frauen den Aufstieg zu erschweren) und geben den Damen auch wenig Anlass, sich mal härter reinzuknien, weil sie selbst das Erwerbspotenzial bei der Partnerwahl nicht so auf dem Schirm haben.

       

      So schaukelt sich das alte Rollenmodell quasi von selbst weiter, und der Idealfall, dass sich alle Elemente des Teufelskreises gleichzeitig aufheben, wird wohl ein Traum bleiben. Dreh- und Angelpunkt sind dabei wohl die Beuteschemata bei der Partnerwahl, denn die kann keine staatliche Förderung oder Gleichmacherei wirklich ändern. Das geht nur von innen heraus, und dem Braten traut weder das eine noch das andere Geschlecht in großen Zahlen. Aus biologischen Gründen sind aber die Frauen an diesem Knackpunkt diejenigen, die das letzte Wort haben.

    • @Bella:

      Haben Sie sich schon mal darüber Gedanken gemacht, dass die Elternzeit mit Schwerpunkt mütterliche Betreuung auf einer Absprache der Eltern beruht, um das Einkommen möglichst nicht schmälern ? Dann wissen Sie auch, was da die Schieflage ist - Vll. die ungleiche Entlohnung.

    • @Bella:

      Die Gesetzeslage begünstigt traditionelle Rollenverteilungen. Das sehen zutreffend die Herren Nelles und Schürmann so und dazu hatte ich bereits etwas kommentiert. Und wenn Sie sich die Entwicklungen der AE-Haushalte mal etwas genauer anschauen werden Sie feststellen, dass die Kinder wandern, und zwar mit zunehmendem Alter von Müttern weg hin zu Vätern. Ich behaupte: Es wären frühzeitiger noch mehr, wenn die Gesetzeslage eine andere wäre. Und es wären auch zunehmend mehr Väter bereit länger in Elternzeit zu gehen, wenn sie es nur selbst und vor allem frei entscheiden könnten. Sie sind aber nicht frei in ihren Entscheidungen, sondern von Wohlwollen der Mütter abhängig.

  • Ich kenne einige Paare, die das geteilte Betreuungsmodell ohne Gericht einvernehmlich vereinbart haben und es teils bis zur Volljährigkeit der Kinder durchgezogen haben. Grundsätzlich funktionieren tut es also.

     

    Bei mir ging es leider vor Gericht und ich kann die Erfahrungen aus dem Artikel leider 1.1 bestätigen, bei mir war die Argumente gegen das Teilungsmodel:.

    1. Die Kinder mussten bei mir um 6 aufstehen und um 7 von mir zur Schule gefahren werden, das wäre nicht zumutbar (da lacht der Schulbusbenutzer).

    2.Außerdem, war die Mutter nicht mit der 50:50-Teilung einverstanden, das reichte dem Gericht ohne jede inhaltliche Begründung.

     

    Die Kinder hatten sich in insgesamt 3 Befragungen jedesmal für eine 50:50-Teilungsausgesprchen, die kannten sie aus dem bisherigen Familienleben. Das wurde vom Gericht mit dem Argument beiseite geschoben, die Kinder würden nicht ihren wahren Willen auszudrücken, sondern nur versuchen, nicht in eine Konfliktsituation zu kommen.

    Ich gehe inzwischen nicht mehr davon aus, dass sich vor der Volljährigkeit der Kinder daran etwas ändert, die Bequemlichkeit des Richterdenkens geht hier wohl vor den Realitäten des Lebens.

  • Ohne Spitzen gegen Vätervereine geht es bei Heide Oestreich nicht. Stattdessen führt bei ihr kein Weg am größten Mütterverband vorbei, der mit einem eigenen Sorgerechtsvorschlag Väter noch ein Stück weiter abzudrängen suchte, als schon bisher, und deren Vorsitzende nun mit einem lustigen Spruch (mehr ist es nicht) daher kommt. Man(n) darf schon froh sein, dass Heide Oestreich überhaupt etwas zu Kommentierendes produziert.

     

    „Insbesondere nachdem das neue Unterhaltsrecht von 2008 Frauen nach einer Scheidung dazu verpflichtet, schneller wieder erwerbstätig zu werden, steigt natürlich deren Interesse daran, dass die Kinder in dieser Zeit vom Vater betreut werden…Einen Vorschlag dazu hat der Verband noch nicht.“ Da werden wir auch noch ein paar Dekaden warten dürfen. Es liegt kein Grund vor, eine Mütterberatung in diese Richtung nicht anzubieten. Macht der VAM(v) aber nachweislich nicht und nennt sich schließlich nicht zum Spaß Verband Alleinerziehender.

     

    Zu § 1606 BGB: Ist nur ein Baustein im Wackelgebäude des Gleichstellungsstaates D. Das wissen sowohl Frau Schwab als auch Herr Nelles.

    Tradierte Rollenzuschreibungen finden wir nämlich auch in § 1615l BGB.

    Man(n) beachte insbesondere die Sätze 2 und 3, in Absatz 2:

    „Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht für mindestens drei Jahre nach der Geburt.“

    Die Mutter befindet schlussendlich darüber, inwieweit der Vater eine Rolle als Betreuender einnehmen darf. Das Weitere regeln sodann § 1612 und 1612a BGB.

     

    Zutreffend ist, dass es sich bei diesem Thema um einen „hochemotionalen Bereich“ handelt. Die nennenswerten Reformblockierer finden sich sowohl in den § 1353 BGB favorisierenden Konfessionen, als auch in den auf AE-Status und auf deren (weitgehend) Vollfinanzierung fokussierten Mütterverbänden.

  • Mich regen solche Artikel mehr als auf. Denn der Punkt ist doch, dass jede gerichtliche Entscheidung für das Kind schlechter ausfällt, als wenn liebende Eltern die Verantwortung hätten.

     

    Wer wegen Unterhalt zum Anwalt geht oder dazu nötigt, gehört weggesperrt. Denn was dort den Kindern im großen Stil angetan wird, ist ein furchtbares Verbrechen.

     

    Kinder haben ein Recht auf Liebe. Darüber sollte mal ein Artikel geschrieben werden und nicht über irgendwelche juristischen Kleingeistereien.

    • @Reh89:

      Mmh, ein "Recht auf Liebe"??

       

      Merken Sie, wie absurd das klingt?

       

      Das, wozu bzw. worauf man ein Recht hat, kann man notfalls erzwingen oder einklagen.

      Das ist mit der Liebe so eine Sache.....

       

      Im Prinzip haben Sie natürlich Recht, aber ein Naturrecht ist eben doch etwas anderes als ein von Juristen gemachtes.

  • Danke für den objektiven Artikel, Heide Oestreich. Wir haben es hier mit einem Rechtsgebiet zu tun, in dem die Justiz offenbar immer noch im Mittelalter verharrt. Dies ist umso schlimmer, als der zitierte § 1606 im Wortlaut eigentlich einer objektiv gerechten Lösung nicht entgegensteht: Die Formulierung "Der Elternteil, der ein [...] Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und die Erziehung des Kindes.", ließe sich durchaus auch wochen- oder tageweise anwenden. Wenn sogar der BGH das anders sieht, verdient er volle Verachtung.

     

    Wenn die Politik sich nicht traut, das Thema anzugehen, wäre das wohl wieder mal ein Fall fürs Verfassungsgericht.

  • „In Norwegen ist das anders: Da ist völlig klar, dass beide Eltern für alles zu sorgen haben.“

    Das ist ja mal schön. Aber nicht unbedingt für die Kinder, wenn die Ehe der Eltern zerrüttet geschieden wurde. Da gibt es Krach ohne Ende. Sicherlich auch in Norwegen. Aber vielleicht bekommt eine Mutter, die sich um zwei Kleinkinder kümmern muss, dort eher einen (Teilzeit)-Job. Das ist in D eher selten. In Deutschland ist für Mütter in dieser Lage Hartz 4 der „Regelfall", denn sie selbst bekommt in den meisten Fällen nicht einmal nachehelichen Ehegattenunterhalt.

     

    Und bitte Vorsicht mit der „Giftpflanze des Jahres 2014"

    http://de.wikipedia.org/wiki/Maigl%C3%B6ckchen

    Bleiben Sie besser beim bewährten Wiesenschaumkraut.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Wiesen-Schaumkraut

  • "Sie könne nicht so lange ohne die Kinder leben, meinte sie"

     

    Wenn das die Begründung der Mutter ist, das paritätische Wechselmodel aufzukündigen, dann wird das Kindswohl als primärer Anlass zur jurist. Intervention klar missachtet.

     

    Mütterliche und väterliche Kindererziehung unterscheiden sich in der Hinsicht, dass die Mutter Quelle der unbedingten Liebe ist und der Vater die bedingte Liebe gibt. Beides ist für´s Kind unverzichtbar. Dass dieser väterliche Teil der in der Regel konsequenteren Erziehung ( nicht gleichbedeutend mit autoritär) dem Vater bei getrennten Elternpaaren zur Last gelegt wird, ist bei Jugendamt und Familiengericht usus.

    Es ist natürlich aus der Ferne schwer zu beurteilen, wie die Verhältnisse in diesem Fall sind, doch kommt es allzu oft vor, dass das Kind nicht zum Vater will, weil es von der Mutter gezielt vom Vater entfremdet wird und in Loyalitätskonflikte gerät. Das könnte in diesem Fall vorliegen, denn dass die Mutter ihre eigenen Trennungsängste anführt, verdeutlicht, das sie es auch vorm Kind tut, wie bspw. " Ich vermisse dich, wenn du nicht bei mir bist".

    Wenn das vorliegt, ist das Kind besser beim Vater aufgehoben.

    Die Beweiskraft der von der Mutter behaupteter Mangelerziehung durch den Vater wird vom Familiengericht selten eingefordert. In der Hinsicht ist Deutschland sozialpädagogisches Entwicklungsland. Richter am Familengericht sollten ein erziehungswissenschaftliches oder psycholog. Studium absolvieren, ehe sie in der Sache in die Robe steigen.

    • @lions:

      Das mit der bedingten und unbedingten Liebe verstehe ich nicht, obwohl ich mehrfacher Vater unf vielfacher Großvater bin... und warum bedingte Liebe für Kinder unverzichtbar sein soll, schon gar nicht.

      • @lichtgestalt:

        Das ist neben meiner die Annahme und Lehrmeinung der Psychologie - Populärwissentschaftlich ist das prima von E. Fromm in " die Kunst des Liebens" aufbereitet, was ich damit auch empfehlen will.

        Kurz, die bedingte Liebe des Vaters erzeugt am Charakter des Kindes einen späteren Drang, sich mit seiner Umwelt arrangieren zu müssen, sich selbst zu reflektieren. Die unbedingte Liebe der Mutter erzeugt im Kind das existenziell notwendige Sicherheitsgefühl und Geborgenheit.

        Beide Elemente sind als polarisiert zu betrachten und kommen in beiden Elternteilen vor, nur Gewichtung darin lässt letztendlich eine Differenzierung zu. Mütter und Väter sind von dieser Vorstellung in der Regel nicht begeistert, weil sich jeder für sich als generalisiert vollkommen betrachtet, doch nur in der elterl. Summe ist eine gesunde und vollständige Persönlichkeitsentwicklung des heranwachsenden Menschen gewährleistet.

        Der Vater ist Sinnbild für das freie Element der Familie in unserer Persönlichkeit, mit dessen lebenslang mentaler Präsenz wir unsere Unabhängigkeit initiieren.

         

        Fragen Sie sich selbst - Sind Sie nicht viel mehr Mahner gewesen, als die Mutter Ihrer Kinder ? Darin waren Sie dann unersetzbar wichtig.

  • Ich möchte das Problem - Recht und Rechtsprechung hängen den realen Verhältnissen hinterher und richten sich nach ollen Geschlechterstereotypen - gar nicht bestreiten. Ich würde nur gerne wissen, wie groß das hier angesprochene Problem ist. Wie oft gibt es tatsächlich die geteilte Obhut? Wieviel Prozent der Scheidungs- und Trennungsväter betrifft das? Wie sehen die überhaupt die Verhältnisse bei gemeinsamer Sorge aus? Zahlen, die ich eigentlich im Artikel erwartet hätte, der immerhin im Gegensatz zu anderen Themen die Seite 1 bekommen hat.

    • @Gesine Fuchs:

      Gemäß einer Studie Amendts vor 2 oder 3 Jahren verlieren 90% der Trennungsväter innerhalb von 2 Jahren praktisch jeden Kontakt zu ihren Kindern.

      Die Fälle wie der obige dürften daher die Ausnahme sein.

       

      Es fragt sich dabei natürlich, was ursächlich ist. Die Rechtslage, die kaum ein anderes Verhalten erlaubt, oder der Wunsch der Väter, nur zu zahlen, dem das Recht dann angepasst ist.

       

      Aber ist das denn wichtig? Wichtig ist doch der Einzelfall, und in dem muss einfach ermöglicht werden, etwa eine 40% zu 60% Regelung auch angemessen finanziell zu gestalten.

      Und wenn es dann nur ein einziger ist, der das in Anspruch nimmt (Wobei ich selbst schon ein halbes dutzend kenne): Für alle anderen ändert sich nichts, und diese reine Fall ist definitiv gerechter gelöst.