Sorge wegen Revanchismus: Politiker bleiben Schlesiertreffen fern
Auf dem Deutschlandtreffen schlägt der Bundesvorsitzende Rudi Pawelka revanchistische Töne an. Etliche Landespolitiker sagten ab.
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Am Sonntag sollte der Präsident des Niedersächsischen Landtags, Bernd Busemann (CDU), auf der Abschlussveranstaltung des „Deutschlandtreffen der Schlesier“ in Hannover sprechen. Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka, stand jedoch ohne den Ehrengast auf der Bühne.
Schon vor Beginn des mehrtägigen Treffens war am Freitagnachmittag die Absage von Buseman öffentlich geworden. Der Grund: Vorab wurde bekannt, dass im Redemanuskript des Bundesvorsitzenden der „Versöhnungsgedanke zwischen Deutschen und Polen“ nicht sehr hervorgehoben werde. Dem Treffen auf dem Messegelände der niedersächsischen Landeshauptstadt blieben auch gleich weitere Politiker fern: Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Innenminister Boris Pistorius (SPD) kamen ebenfalls nicht. Weil ließ aus terminlichen Gründen absagen. Pistorius sagte wie Busemann wegen der befürchteten „rückwärtsgewandten Äußerungen“ ab. Beide betonten jedoch, dass ihnen die Patenschaft zu den Schlesiern am „Herzen“ liege.
Den Auslöser der Absagen lieferte zudem der Präsident der Bundesdelegiertenversammlung der Schlesischen Landesvertretung Michael Pietsch. Aus Missfallen über den Redeentwurf Pawelkas hatte er am Donnerstag sein Amt niedergelegt. „Wenn selbst Führungspersönlichkeiten des Verbandes den Kurs von Herrn Pawelka nicht mehr mittragen können, dann müssen Landesregierung und Landtagspräsident davon Abstand nehmen, bei dem Verband aufzutreten“, sagte Pistorius.
Der kritisierte Bundesvorsitzende zeigte sich bei dem Bundestreffen, das alle zwei Jahre stattfindet, missverstanden und enttäuscht. Er hätte das Manuskript vertraulich an vier Vorstands- und Verbandsmitglieder gesendet. Der nun zurückgetreten Präsident, so Pawelka, hätte den Entwurf mit dem Innenministerium besprochen. Zur Kritik merkte er nur an: „Ich kann nicht sehen, was an meiner Rede zu beanstanden ist.“
Bei der offiziellen Eröffnung des „Deutschlandtreffens“ deutete Pawelka vor etwa 1.500 Gästen am Samstag seine Positionen bereits an. Unter Applaus sagte er: „Wir wollen nicht unter den Teppich kehren, dass Pistorius abgesagt hat“, da Pietsch zurückgetreten sei. In der 40-minütigen Rede sagte der 73-Jährige unter Applaus dass „es eine Lüge“ sei, „Schlesien als wiedergewonnene (polnische) Gebiete zu bezeichnen“. Weiterhin forderte Pawelka von Polen und Tschechien wegen der Vertreibung der Deutschen im Zweiten Weltkrieg eine Entschuldigung und Entschädigung. „Wir machen einseitig Versöhnung, das bringt auf Dauer nichts“, sagte er. Bei der Eröffnung hatte Hannovers Bürgermeisterin Regine Kramarek (Grüne) ein Grußwort gehalten. Von der Auseinandersetzung will sie zuvor nichts mitbekommen haben, sagte sie dem NDR.
Beim letzten Jahrestreffen der Landsmannschaft vor zwei Jahren hatte Pawelka nicht minder einschlägige Positionen verkündet. Schon damals forderte er „eine Geste aus Polen.“ Die Ungarn hätten sich längst offiziell für die Vertreibung der Deutschen entschuldigt, die USA bei den Indianern, die Kanadier bei den Eskimos und die Australier bei den Aborigines, sagte er. Als er über eine polnische Beteiligung am Holocaust sprach verließ der damalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) die Halle.
Am 26. März 1950 fand im Bonner Bundesvertriebenen-Ministerium die Gründung der Landsmannschaft Schlesien statt.
"Die Wiege" der Landsmannschaft, so schreiben sie, war die "Vereinigung der Schlesier", gleich nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 in München gegründet.
Am 3. Oktober 1950 übernahm das Land Niedersachsen die Schirmherrschaft über die Schlesier.
1990 strich die damalige Rot-Grüne Landesregierung die Landesmittel für die Schlesier. Das Deutschlandtreffen fand in Bayern statt.
2007 holte der Ex-CDU-Ministerpräsident Christian Wulff sie nach Niedersachsen zurück. (AS)
Nach dem Eklat 2011 forderte die SPD-Landtagsfraktion, die Fördergelder für die Landsmannschaft einzustellen, sollten sich die Schlesier nicht von ihrem Vorsitzenden Pawelka trennen. Mit 50.000 Euro aus Landesmitteln fördert Niedersachsen das Schlesiertreffen. Die Landtagsgrünen wollen die Zuschüsse seit Jahren streichen.
In der Rede am Sonntag sagte Pawelka, der für die CDU lange Ratsherr in Leverkusen war, des Weiteren: „Wir haben uns vielfach entschuldigt.“ Er lobte aber auch Polen: „Wir bemerken auch positiv, dass Polen den Nachbarschaftsvertrag beginnt umzusetzen.“
Die Debatte um die Förderung der Landmannschaft dürfte die Rede dennoch befeuern.
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