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Sonntagsöffnungen sind illegal

■  Rechtsgutachten stützt Gewerkschaftsauffassung: Genehmigungen für Sonderöffnungen im Einzelhandel sind meistens rechtswidrig. Morgen Demo für Erhalt des Ladenschlusses

Die meisten Sonderöffenungen im Berliner Einzelhandel sind rechtswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt ein von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten, das der Berliner HBV-Chef Manfred Birkhahn gestern dem Landesamt für Arbeits-, Gesundheitsschutz und Technische Sicherheit (Lagetsi) übergeben hat. Das Lagetsi zeichnet unter anderem für die umstrittenen Sondergenehmigungen verantwortlich. Morgen will die HBV ab 17 Uhr auf dem Breitscheidplatz für den Erhalt des Ladenschlusses demonstrieren. Motto der VerkäuferInnen: „Die Zeit gehört uns.“

Der Berliner Rechtsanwalt Bernd von Nieding untersucht in dem Gutachten die Genehmigungspraxis für Sonntags- und Feiertagsverkäufe, bei der das Lagetsi auf den Paragraf 23 des Ladenschlussgesetzes zurückgegriffen hatte. Diese Bestimmung sehe befristete Ausnahmen in Einzelfällen vor, wenn ein dringendes öffentliches Interesse vorliege, sagte Birkhahn. In Berlin werde diese Bestimmung aber als „Generalklausel missbraucht, um das Ladenschlussgesetz auszuhebeln“, kritisierte Birkhahn. Im August wurde unter anderem eine Sonntagsöffnung des Kaufhofes am Alexanderplatz damit begründet, dass der Kaufhof ein Fest zum 30-jährigen Bestehen des Alex-Springbrunnens veranstaltete.

Von Nieding stellt in dem Gutachten unter anderem fest, „dass der Schutz des Verkaufspersonals ausnahmsweise nur dann durchbrochen werden kann, wenn ein allgemeines und damit höherrangig zu bewertendes Anliegen dies gebietet“. Nach Ansicht von Niedings kämen als solches „Notstandssituationen“ wie die Sicherung der Ernährung in Krisenzeiten in Betracht.

Von Nieding verweist darüber hinaus, dass derartige Genehmigungen nur im Einzelfall erteilt werden dürften. Wenn aber von der Berliner Verwaltung grundsätzlich für jeden Gewerbetreibenden in den Potsdamer-Platz-Arkaden gleich lautende einheitliche Ausnahmebewilligungen ausgestellt werden, entspreche dies schon nicht mehr dem Einzelfallerfordernis, so von Nieding. „Es muss sich stets um Sonderfälle handeln, die örtlich, sachlich, personell und zeitlich beschränkt sind“, heißt es in dem Gutachten. Insofern liege ein „eklatanter Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz“ auch darin, dass die Genehmigungen in der Regel auf ein Jahr befristet seien. Diese willkürliche Befristung sei aber gleichbedeutend mit einer unbefristeten Regelung.

Birkhahn forderte, Konsequenzen aus dem Gutachten zu ziehen. „Im Interesse der 76.000 Berliner Einzelhandelsbeschäftigten muss die illegale Bewilligungspraxis endlich beendet werden“, sagte der HBV-Chef. Richard Rother

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