Sondergipfel zur EU-Migrationspolitik: Mythos „gemeinsame Lösung“
Populisten machen Europa Druck. Das hat jetzt auch Juncker verstanden. Und plant einen Sondergipfel, um die Krise zu stoppen.
Juncker eilt damit Merkel zu Hilfe. Offiziell geht es zwar nur um ein „informelles Arbeitstreffen“, mit dem der EU-Gipfel Ende kommender Woche vorbereitet werden soll. Doch in der Sache hat sich der Luxemburger zuletzt immer mehr der Position der deutschen Kanzlerin angenähert. Selbst in der Wortwahl passt sich Juncker an. Es gehe darum, „an europäischen Lösungen zu arbeiten“, sagte er.
Vor zwei Wochen klang das noch ganz anders. Bei einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz in Brüssel stellte sich Juncker hinter dessen Plan, die „Sicherung der Außengrenzen“ zur absoluten Priorität zu erklären.
Von den Binnengrenzen, um die es Bundesinnenminster Horst Seehofer geht, war ebenso wenig die Rede wie von Rückführungen in andere EU-Länder. Auch eine faire Lastenteilung, wie sie Merkel fordert, war kein Thema.
Kurz-Kurs aus Brüssel
Juncker war voll des Lobes für Kurz und dessen Politik der Abschottung. Sogar für Vizekanzler Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen FPÖ fand er nette Worte. „Juncker auf Kurz-Kurs“, titelte das österreichische Volksblatt, Parteizeitung der ÖVP.
Wieso der Kommissionschef nun plötzlich auf Merkel-Kurs umgeschwenkt ist, lässt sich schwer sagen. Denn seine Berater und Sprecher schweigen.
Sie wollen sich nicht einmal zu der entscheidenden Frage äußern, ob die Dublin-Verordnung die Zurückweisung von Asylbewerbern an der deutschen Grenze erlaubt, wie dies Seehofer fordert. Dabei präsentiert sich die EU-Kommission sonst gern als „Hüterin der Verträge“.
Doch im aktuellen Streit geht es ihr vor allem darum, eine Ausweitung der Krise zu verhindern. Nicht nur Bayern bereitet der EU Sorgen, auch Ungarn und Polen spielen nicht mit.
Alles dreht sich um Merkel
Die Osteuropäer verweigern sich der „europäischen Lösung“, wie sie bisher diskutiert wurde – also einer Umverteilung von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland auf alle EU-Länder.
Aber auch in Südeuropa gibt es ein Problem. So will die neue Regierung in Italien keine Flüchtlingsboote von Hilfsorganisationen mehr in ihre Häfen einlaufen lassen. Der Streit um die „Aquarius“ zeigt, dass die EU-Länder auf nationale Lösungen setzen.
Europa steht unter massivem Druck der Nationalisten und Populisten. Vor diesem Hintergrund erscheint die für das EU-Treffen am Sonntag anvisierte „europäische Lösung“ als Etikettenschwindel.
Im Vordergrund dürften dabei nämlich bilaterale Rücknahmeabkommen stehen – und nicht die Aufnahme von Asylbewerbern und ihre solidarische Umverteilung.
Jeder zeigt auf den anderen
Bisher hat nur Frankreich bilaterale Absprachen zugesagt. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte zeigte sich dagegen beim Treffen mit Merkel am Montag in Berlin ausgesprochen zurückhaltend. Und aus Griechenland kommen bisher nur Fragen, keine Zusagen. „Wir erwarten für eine Stellungnahme die deutschen Vorschläge zur Lösung des Flüchtlingsproblems“, sagte ein Regierungsvertreter der „Bild“-Zeitung.
Optimistischer klang es auf Malta: Er freue sich, zu einer „abgestimmten europäischen Antwort“ auf die Migrationsherausforderung beizutragen, schrieb Regierungschef Joseph Muscat auf Twitter. Im Streit um die „Aquarius“ hatte Malta jedoch seine Häfen dicht gemacht. Wenn es um eine „europäische Lösung“ geht, zeigt jeder auf den anderen.
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