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Sommertheater Bad LauchstädtEin Kleinod aus Stoff und Brettern

Schon Christiane Vulpius genoss hier den Sommer, der Museumsleiterin geht es wie Goethes Frau: Bad Lauchstädt und sein Theater begeistern viele.

Bad Lauchstädter Illusion: Wenn das Licht aufflammt, glaubt man, in einem der großen Opernhäuser der Welt zu sitzen. Foto: Michael Bartsch

Bad Lauchstädt südlich von Halle ist heute ein unscheinbares Städtchen mit 4.000 Einwohnern. Doch beim Betreten der Kuranlagen bekommt man eine Ahnung, warum es im 18. Jahrhundert den Adel aus Sachsen, Preußen, aus dem Thüringischen und aus Anhalt in das „sächsische Pyrmont“ zog. „Ein bacchantischer Ort, der immer noch Kurbad-Atmosphäre atmet“, schwärmt Ute Boebel. Sie leitet das Museum der Kuranlage und führt durch den Park.

Boebel deutet auf den zentralen Brunnen, auf den in der Hauptachse liegende Kursaal und auf die Pavillons. Die hölzernen Kolonnaden, der Park, der Teich und das Schloss strahlen Ruhe und Gelassenheit aus. Die Hauptattraktion duckt sich allerdings unter Bäumen: Es ist das Sommertheater, das immer noch genau so aussieht, wie es Goethe und seine Bauexperten Steiner, Gentz und Götze in den Jahren bis 1802 entworfen haben.

Es war bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts Mode, in Bad Lauchstädt zu kuren. Denn hier bot sich eine Mischung aus Zerstreuung und Animation. Und das Theater trug wesentlich dazu bei. Und es lockte nicht nur den Adel an, sondern auch Kaufleute, Offiziere, Künstler, Gelehrte und Dichter. In diesem Jahr wird die Fantasie noch durch den 250. Geburtstag von Goethes Ehefrau Christiane Vulpius beflügelt. In den Sommermonaten verkürzte sich Christiane hier in Gesellschaft das ständige Warten auf den reisenden Dichter. Später nahm sie am Theater sogar so etwas wie die Stellung einer kaufmännischen Geschäftsführerin ein. „Mir ist, als finge ich erst an zu leben …“, schrieb sie hier 1803.

Johann Wolfgang von Goethe, neben anderen Funktionen auch der Weimarer Hoftheaterchef, hatte sich des geplanten Neubaus hier in Bad Lauchstädt angenommen. Schließlich unterhielt die Weimarer Hofbühne wegen der illustren Gäste in Bad Lauchstädt eine Art Außenstelle. Zwar wurde der hölzerne Bau von Gästen und Studenten bald als „Schafhütte“ tituliert, doch die Aufführungen erfreuten sich großer Beliebtheit.

Studenten als Gecken

Und das nicht nur beim Adel. Nach dem pietistisch-preußischen Verbot von Theateraufführungen im unweit gelegenen Halle pilgerten die Studenten in Scharen nach Lauchstädt und mischten als Gecken die feine Gesellschaft auf. „Den großen Hut mit bunter Kokarde geschmückt … mit riesigen Sporen, den blanken Hieber an der Seite und die weitschallende Hetzpeitsche in der Hand, dazu den Rauch des gelben Knasters von Apolda in die Luft wirbelnd“ – so beschrieben Zeitgenossen die Studenten.

Zwar belebt sich Bad Lauchstädt auch heute bei der Ankunft von Reisegruppen, zum Weihnachtsmarkt oder bei Theaterevents am Wochenende. Bis zu 100.000 Besucher kommen jährlich. Dennoch ist es stiller geworden. Das lag auch daran, dass das Theater in den vergangenen beiden Jahren von riesigen dunkelgrauen Planen verhüllt war, die vor allem die Wetterseite schützen sollten.

Dort war 2013 der Putz abgeschlagen worden, und was unter dem Mörtel entdeckt wurde, alarmierte Kulturschaffende und Politiker in Sachsen-Anhalt gleichermaßen. Holzschädlinge, Fäulnis und Schwamm durchzogen das Fachwerk. In der mehr als zweihundertjährigen Geschichte hatte das Theater allerdings schon mehrere Krisen durchlitten. So wollte die preußische Regierung zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Bau abbrechen lassen. Doch war der einzigartige Bau nach diesen Schadensmeldungen noch zu retten?

Nahezu der Originalzustand

„Bestürzt“ zeigte sich Grünen-Landtagsfraktionsvorsitzende Claudia Dalbert bei einem Besuch, und die Händel-Festspiele Halle bangten um einen ihrer wichtigsten Aufführungsorte. René Schmidt, der Geschäftsführer des Theaters, erinnerte daran, dass seit der großen Sanierung Ende der 1960er Jahre keine wesentlichen Erhaltungsarbeiten mehr stattgefunden hatten.

Gewiss, die Zeiten sind vorüber, dass hier – ähnlich wie bei den Bayreuther Festspielen – das Establishment ein und aus ging. Aber verpflichtete nicht allein schon die Geschichte des Theaters zur Sanierung? Der Bau hat bis heute nahezu im Originalzustand überdauert. Befremdlich wirken die außen angebrachten massiven Stützpfeiler. Schon rund dreißig Jahre nach der Errichtung hatte das leichte Dach die nur zwölf Zentimeter dünnen Wände nach außen gedrückt.

Die eigentliche Faszination beginnt im Inneren. Es gibt 456 Plätze, maximal 25 Musiker finden im Orchestergraben Platz. Doch als Museumsleiterin Ute Boebel das inzwischen elektrische Licht einschaltet, hat man den Eindruck, in einem der großen Opernhäuser zu sitzen. Die Illusionsmalerei auf der stoffbespannten Decke, die umlaufende Galerie, die geschickte Beleuchtung – alles trägt dazu bei.

Stoffbahnen, Seile und Holz

Die sonst eher ruhige Museumsleiterin wird leidenschaftlich, als sie die historische Bühnenmaschinerie vorführt. „So sah eine ideale Bühne zur Zeit der deutschen Klassik aus!“, schwärmt sie. Der Bühnenprospekt, die quer hängenden Soffitten und die seitlichen Kulissenflügel ergeben zusammen das Bühnenbild. Wie damals schon für schnelle Szenenwechsel erforderlich, können die Kulissen immer noch binnen Sekunden ausgetauscht werden.

Zuständig ist eine raffinierte Holzmechanik unter der Bühne mit einer verwirrenden Fülle von Seilen. „Die sieben Meter lange hölzerne Hauptantriebswelle wurde früher mit Muskelkraft bewegt“, erzählt Ute Boebel. Heute erledigt das ein Elektromotor. Neben der elektrischen Umrüstung der Argand’schen Öllampen fast die einzige Konzession an den Fortschritt. Denn auch eine stoffbespannte Windmaschine steht an der Seitenbühne. Und die Öllampen ließen sich schon damals schwenken, um Dämmerungseffekte zu erzielen.

„Die Goethe-Zeit war noch nicht so retrospektiv orientiert wie wir heute und blickte nach vorn“, sinniert Geschäftsführer René Schmidt beim Blick auf den Spielplan. Natürlich wurde Sommertheater gegeben und Oper gespielt, aber in seinem Todesjahr 1805 kam eben auch Schiller auf die Bühne, dem Lauchstädt vertraut war. Der gegenwärtige Spielplan entspricht dem Flair des Ortes, betont Schmidt, „biete aber „nicht nur leichte Sommerkost“. Opern von Händel, Gluck oder Mozart, Schauspiel auch eher von Goethes Zeitgenossen. Der Geschäftsführer bezeichnet sich selbst als „Chefeinkäufer“ für Gastspiele aus der ganzen Bundesrepublik, nicht nur aus dem nahen Halle. Und das ambitionierteste jährliche Ereignis ist das „Festspiel der deutschen Sprache“ im September, das sich auch zeitgenössischen Themen widmet.

Unterm Strich bleibt weniger

Der Spielbetrieb, bis auf wenige Ausnahmen zur Weihnachtszeit auf den Sommer konzentriert, soll für die nun laufenden Sanierungsarbeiten nicht unterbrochen werden. Jetzt können der Austausch der Balken und die Stabilisierung endlich beginnen. Dass seit der Diagnose rund zweieinhalb Jahre vergingen, liegt nicht an Geldmangel, berichtet René Schmidt. Im Verwaltungsgebäude sitzt der Geschäftsführer unter dem berühmten Warhol-Bild von Goethe und äußert wirklich nur ein bisschen Verständnis für den Prüfungsaufwand, der bei öffentlichen Bauvorhaben getrieben wird. „Das Theater ist in seiner Geschichte noch nie so gründlich untersucht worden“, sagt er diplomatisch.

Doch auch Goethe selbst musste fünf Jahre mit Sachsen-Weimar und Kursachsen verhandeln. Der Bau selbst war dann in einem Vierteljahr erledigt.

Natürlich ist auch die Finanzierung keine Selbstverständlichkeit mehr. Schmidt, seit 2010 Geschäftsführer, musste 17 von 26 Stellen bei den Kuranlagen streichen. Die Mittel für den laufenden Theaterspielbetrieb sanken von 1,4 Millionen Euro auf 410.000 jährlich. Seit Jahresbeginn 2014 stellt der Saalekreis immerhin noch einmal die gleiche Summe zur Verfügung. Dennoch – unterm Strich bleibt weniger als früher. Die Bauinvestitionen für die gesamte Kuranlage liegen bei 6 Millionen Euro. Die gleiche Summe strich Sachsen-Anhalt im vorigen Jahr seinen anderen Theatern. Der Kursaal, vor allem die Dachrekonstruktion, kostet rund zweieinhalb Millionen, das Theater nach Schätzung von Geschäftsführer Schmidt ebenso viel.

Schillers Ménage à trois

Doch bei einem Theaterbesuch darf man es in Lauchstädt nicht belassen. Da sind die Kuranlagen, die Pavillons mit ihren Ausstellungen. Und da ist das Neue Schillerhaus, ein spätbarockes Bürgerhaus, mit seinen Geschichten über die angebliche Ménage à trois zwischen dem Dichter und den Schwestern Lengefeld. „Ich habe hier meine Lebensaufgabe gefunden“, bekennt der gebürtige Klingenthaler René Schmidt, inzwischen Anfang 50.

Von dieser Lebensaufgabe bringt ihn auch der jüngste Ärger nicht ab. Die Stiftung Weimarer Klassik, selbst mit einer Restitutionsforderung konfrontiert, hat plötzlich entdeckt, dass ihr 62 Kunstgegenstände gehören sollen, die sich in Bad Lauchstädt befinden. Zu DDR-Zeiten, als Provenienz nicht so wichtig war, kamen sie hierher. „Es täte nicht nur mir, sondern vor allem den Besuchern weh, wenn etwa die Quellnymphe oder die Vulpius-Büste ins Allerheiligste der Deutschen Klassik entführt würden.“ Geschäftsführer Schmidt sieht dem Streit halbwegs gelassen entgegen.

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