Sommer in Berlin: Mach die Mücke, Blutsauger!
Die Stechmücken haben den milden Winter und das feuchte Frühjahr genossen und sich eifrig vermehrt. Jetzt wollen sie Blut sehen. Betroffen sind Brandenburg und der Stadtrand.
Sonnenschein und warme Temperaturen: Die Freiluftsaison hat begonnen. Doch viele Grill- und Freibadfans stöhnen schon jetzt über ungebetene Gäste: Dank des milden Winters und reichhaltiger Niederschläge hat sich eine außergewöhnlich geburtenstarke Mückengeneration entwickelt, die nur darauf wartet, sich am Blut der BerlinerInnen zu laben. Eine "ziemlich große Anzahl an Stech- und Kriebelmücken" hat Doreen Werner bei ihren Feldstudien in Auen- und Sumpflandschaften beobachtet. Und diese kleinen Biester sind gemeiner als üblich: "Die erste Generation steht unter besonderem Druck, Blut aufzunehmen", erklärt die Forscherin vom Entomologischen Institut des Leibniz-Zentrums für Agrarlandforschung (ZALF) im brandenburgischen Müncheberg. "Die Tiere, die als Larven überwintert haben, schlüpfen jetzt alle und fangen gleichzeitig an zu saugen. Daher empfinden Menschen die ersten Mücken des Jahres als besonders aggressiv."
Ähnliche Beobachtungen hat Ursula Müller vom Freilandlabor Britz gemacht: "Es wird dieses Jahr mit Sicherheit viele Mücken geben." Für Berlin gibt sie vorerst noch Entwarnung: "Die Insekten sind dieses Jahr spät dran. Nicht nur Mücken, auch Hummeln, Wespen und Zecken entwickeln sich erst jetzt allmählich." In den Vorjahren habe man bereits im April die ersten Hummel- und Hornissenköniginnen beobachtet. Und nicht alle Lebewesen seien traurig über die riesigen Mückenschwärme. Dieses Jahr deute das "große Froschkonzert im Britzer Garten" darauf hin, dass es die frisch geschlüpften Plagegeister nicht einfach haben werden: Frösche sind effiziente Mückenjäger.
Auch ist nicht alles ein Blutsauger, was sirrt und abends an der Zimmerdecke hängt. Bei der Stechmücke pikst nur das Weibchen, das Proteine für die Eireifung benötigt. Das harmlose Männchen, zu erkennen an seinen puscheligen Fühlern, ernährt sich hingegen von Blütennektar. Wesentlich lästiger und laut Doreen Werner "an der Oder derzeit voll aktiv" sind Gnitzen und Kriebelmücken. Die kleinen, schwarzen Gnitzen stechen nicht, sondern beißen. In die kleinen Wunden injizieren sie ein Proteingemisch - die dadurch entstehenden Blutblasen jucken noch stärker als Mückenstiche und entzünden sich leicht. Zum Glück findet man diese hinterhältigen Flugobjekte hauptsächlich im Berliner Umland.
Die in Schwärmen auftretende Kriebelmücke kommt dagegen auch an der Panke und im Tegeler Fließ vor. Die Bisse der optisch eher einer Fliege ähnelnden Mückenart sind schmerzhaft und führen häufig zu allergieähnlichen Reaktionen.
Ein kleiner Trost für die BerlinerInnen dürfte sein, dass sie ausschließlich von Stech- und Kriebelmücken sowie Gnitzen geplagt werden - wenig angesichts der 46 Mückenarten, die in Deutschland umherfliegen. Weltweit gibt es sogar mehr als 3.000 Arten.
Doch nicht nur die Mücken verspüren derzeit Aufwind. "2008 wird ein Schädlingsjahr", ist sich Holger Schmidt, Chef des Berliner Pflanzenschutzamts, sicher. Während das kühle und regnerische Jahr 2007 vor allem Pilze begünstigte, dürfte es 2008 ein vermehrtes Aufkommen von Blattläusen und Spinnmilben geben, die Wärme und Trockenheit mögen.
Ob und wie sich die Anzahl der Stechmücken entwickelt, hängt laut ZALF-Forscher Frank Menzel vor allem vom Wetter ab: "Die Hauptschlüpfzeiten der Stechmücke sind im Frühjahr und Herbst, im Sommer ist die Population generell niedrig. Ist der Sommer dazu heiß und trocken, dürfte sich die Mückenplage zum Herbst hin erledigt haben." Bleibt es dagegen bei Temperaturen um die 20 Grad mit gelegentlichen Niederschlägen, sei eine Mückenplage sehr wahrscheinlich.
Wer nicht auf einen heißen, staubtrockenen Sommer setzen will, kann auch mit eigenen Mitteln gegen die Biester vorgehen und an den nächsten lauen Abenden einfach so viele Grills wie möglich aufstellen - um der ersten Mückengeneration den Rauch in die Facettenaugen zu treiben und den Appetit auf warmes Menschenblut zu verderben.
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