Sommer auf dem Balkon: „Kürbisse sind eher für Dachterrassen“
Ökologisch bepflanzte Balkone sind naturschonend, ziehen Insekten und Vögel an und dienen damit dem Umweltschutz in der Stadt, erklärt Karla Paliege vom Nabu.
taz: Frau Paliege, gesetzt den Fall, ich will meinen Balkon möglichst ökologisch begrünen – geht das überhaupt mit jedem Balkon?
Karla Paliege: Begrünen kann man jede Fläche. Selbst auf dem kleinsten Raum hat irgendeine Pflanze Platz, wenn es nicht gerade stockdunkel ist. Natürlich sind die Lichtverhältnisse ausschlaggebend dafür, was Sie anpflanzen sollten, auch die Größe des Balkons. Pflanzen haben es ja so an sich zu wachsen, dafür sollten sie genug Raum haben.
Welche empfehlen Sie mir?
Stauden bieten sich an, da haben Sie sofort Blüten die jedes Jahr wieder kommen. Damit es ein ökologischer Balkon wird, sollten Sie Wildpflanzen bevorzugen, Doldenpflanzen wie Wilde Möhre oder Schafgarbe. An denen sind Wildbienen interessiert. Was noch? Margerite, Kornblume, Glockenblume, Fetthenne, Cosmea … Ich persönliche liebe den Natternkopf, eine blau blühende, sehr anspruchslose Pflanze, die in der Stadt oft im Schotter an Tramtrassen wächst.
Fachkraft für Umweltschutz und Umweltberaterin, Leiterin der Fachgruppe Naturgarten beim Nabu-Landesverband Berlin. Die Gruppe setzt sich für naturschonende nachhaltige Gestaltung von Kolonie- und Privatgärten ein.
Wie sieht es mit Gemüse aus?
Ich kenne Balkone, da wachsen auch Johannisbeersträucher, Himbeeren und Tomaten, auch Kürbisse, wobei die schon sehr viel Platz wegnehmen. Das ist eher etwas für eine Dachterrasse. Ich empfehle immer, etwa Gemüse anzupflanzen, gerade wenn man Kinder hat. Die sind der Natur oft entfremdet, und es ist ein Erlebnis für sie zu beobachten, wie das Gemüse entsteht, das sie sonst meist nur aus dem Laden kennen. Radieschen eignen sich dafür hervorragend. Grundsätzlich sollten Sie heimische Arten nehmen, die sind meist robuster und vor allem für die Insekten interessanter, denen sie als Nektarpflanze dienen. Sie locken damit Schmetterlinge, Wildbienen, Hummeln, Käfer, Raupen an.
Bei Raupen denke ich an Schädlinge, die mir die schönen Pflanzen auffressen.
Auch das Pfauenauge ist ja mal eine Raupe gewesen. Schmetterlinge sind Sympathieträger, aber alle haben diese Entwicklungsstufe durchgemacht. Zu Schädlingen werden Insekten im Übrigen erst, wenn sie in Massen auftreten.
Wie vermeide ich das?
Grundregel ist, so viele verschiedene Pflanzen wie möglich anzupflanzen. Ich selbst habe einen eher kleinen Balkon, aber rund 20 verschiedene Arten angepflanzt. Insektenplagen kenne ich eigentlich nicht. Wenn die Pflanzen Läuse haben, können Sie sie mit einem Zerstäuber mit Kaffee besprühen. Koffein ist ein sekundärer Pflanzenstoff zur Abwehr von Fraßfeinden.
Wo kaufe ich meine Pflanzen?
In einem spezialisierten Gartencenter. Pflanzen in der Gartenabteilung des Baumarkts werden meist in Großplantagen mit viel Dünger und Pestiziden gezüchtet. Solche industriell herangezogenen Pflanzen können Krankheitserreger wie Milben und Läuse mitbringen. In kleineren Centern werden die Pflanzen etwas mehr gepflegt. Noch besser ist es natürlich, Sie bitten Freunde mit einem Garten, Ihnen ein paar junge Pflanzen abzugeben.
Wie sieht es mit der Erde aus?
Mit verschiedenen Bodenarten zu arbeiten, ist auf dem Balkon schwierig. Aber die meisten Pflanzen sind sehr anpassungsfähig. Ich nehme ganz normale Pflanzenerde, natürlich torffrei.
Warum?
Es braucht 1.000 Jahre, damit ein Meter Torf im Moor entsteht, und mit der Zerstörung der Moore werden unwiderbringlich seltene Tier- und Pflanzenarten zerstört. Aber Vorsicht: In Baumärkten wird manchmal Bioerde angeboten, die nicht torffrei ist. Das muss auf der Packung stehen.
Manche Balkongärtner sagen: Bevor ich im Frühjahr etwas Neues anpflanze, werfe ich die alte Erde weg, die ist verbraucht. Ist das richtig?
Ja, frische Erde erhöht die Blühfreudigkeit. Aber Sie können bei mehrjährigen Bepflanzungen auch nachdüngen, etwa mit Hornspänen, Kaffee oder Biodünger auf Vinassebasis.
Schon wieder Kaffee?
Ja, pro Kasten eine Tasse mit Wasser 1:1 verdünnt, das versorgt die Pflanzen mit Stickstoff und Phosphor. Wie bei allem gilt hier: Vorsichtig dosieren, damit die Erde nicht in den sauren pH-Bereich kommt.
Kompostieren auf dem Balkon, geht das?
Einfach ist es nicht, schließlich fehlt der Kontakt zum Boden mit seinen vielfältigen Organismen. Es gibt Kistensysteme, Sie können Kompostwürmer kaufen, allerdings stellt sich auch die Frage, mit welchem Material Sie diesen Kompost füllen. Wenn es nur feuchte Küchenabfälle sind, fehlt die Mischung. Auch hier gilt: Wenn Sie einen Gärtner kennen, bitten Sie ihn einfach, etwas Komposterde mitzubringen.
Von welchen Pflanzen würden Sie abraten?
Schlechte Erfahrung habe ich mit Zwiebelpflanzen gemacht, also etwa Tulpen oder Narzissen. Weil das Erdreich in den Balkonkästen oder -töpfen meist nicht tief genug ist, können sie im Winter erfrieren. Eher ungeeignet unter dem Sicherheitsaspekt sind Sonnenblumen und langstielige Pflanzen, die auf dem Balkon vom Wind umknicken. Auch Nadelgehölze passen nicht auf den Balkon, die werden meist zu groß. Kleingezüchtete wie Thuja oder Lebensbaum haben einen geringen ökologischen Nutzen.
Bei Kletterpflanzen könnte ich Ärger mit den Nachbarn über mir bekommen …
Kletterpflanzen müssen Sie immer in Schach halten und zurückschneiden, ein Balkon ist eben Kulturland, da muss man regulierend eingreifen. Sie können Efeu pflanzen, der wächst eher langsam, ist aber interessant für Insekten und kann auch einer Amsel als Nistplatz dienen. Alternativen sind Jelängerjelieber oder die Waldrebe.
Wie kann ich es Insekten bei mir besonders schön machen?
In jedem Fall sollten Sie darauf achten, Pflanzen mit ungefüllten Blüten auszuwählen.
Warum?
Durch die sehr üppige Blütenblätter der gefüllten Blüten gelangen Insekten nicht mehr an Staubblätter und Blütenstempel. Ich rate dazu, Hummeln und Wildbienen Futterpflanzen anzubieten, die brauchen noch mehr Unterstützung als Honigbienen. Hummeln mögen Distel, Akelei, Katzenminze, Melisse oder Borretsch.
Sie haben die Amsel im Efeu erwähnt – ist das eher die Ausnahme oder habe ich mit einem Ökobalkon gute Chancen auf Vogelbesuch?
Wenn Ihr Balkon dicht bepflanzt ist, können ganz verschiedene Vogelarten kommen. Ich hatte einmal ein Grünfinkenpärchen, die haben vier oder fünf Junge erfolgreich ausgebrütet. Man muss ein bisschen rücksichtsvoll sein, aber erstaunlicherweise wissen die Vögel offenbar ziemlich genau, worauf sie sich einlassen. Sie profitieren vom Schutz durch den Menschen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
Trumps Wahlsieg und Minderheiten
So wie der Rest
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?