Solo-Weltumsegelungsregatta Vendée Globe: Erschöpfender Kampf
Der deutsche Regattasegler Boris Herrmann erreicht 15 Tage und 15 Stunden nach dem Sieger Charlie Dalin als Zwölfter das Ziel. Nun ist er enttäuscht und erschöpft.
Damals war er 5. geworden und hätte einen Podiumsplatz schaffen können, wenn er nicht in der letzten Nacht mit einem Fischtrawler kollidiert wäre. Jetzt hingegen war Herrmann noch am Äquator, als der Franzose Charlie Dalin vor gut 15 Tagen als Erster ins Ziel ging. Dabei sind sich die Experten einig, dass diese große Distanz den Umständen geschuldet ist und nicht so extreme Geschwindigkeitsunterschiede bestehen.
Die Führenden hatten ihren Vorsprung stark ausbauen können, als sie in ein für sie vorteilhaftes Wettersystem geraten waren, von dem die dahinter Platzierten nie profitieren konnten. Herrmann segelte jetzt 29.201 Seemeilen mit durchschnittlich 15,13 Knoten. Dalin kam bei günstigerer Kurswahl auf 27.667 Meilen auf eine schnellere Durchschnittsgeschwindigkeit von 17,8 Knoten.
Für den 43-Jährigen Herrmann, der zum erweiterten Favoritenkreis zählte, hatte es zwischenzeitlich viel besser ausgesehen. Er lag auf dem Rückweg von Kap Hoorn kurzzeitig auf Rang fünf in einem nahen Feld von sechs Booten, das sich auf die Plätze vier und zehn verteilte.
Taktische Fehler und unverschuldetes Pech
Doch taktische Fehler und mehrfaches Pech wie Blitzeinschläge, ein gebrochener Fockbeschlag, ein nach einem Zusammenstoß mit einem unbekannten Gegenstand im Wasser angebrochenes Backbordfoil und zum Schluss noch ein großer Sturm ließen ihn zurückfallen. Zweimal musste er beidrehen und in den 29 Meter hohen Mast klettern. Allerdings erlitten auch andere Segler Materialbruch.
„Ich bin froh, dass dieser Kampf vorbei ist,“ sagte Herrmann nach dem Ziel. Er drückte damit seine Enttäuschung, aus der er schon vorher keinen Hehl gemacht hatte, wie auch seine Erschöpfung aus. Insbesondere die letzten Tage, als er Sturmfronten mit bis zu zehn Meter hohen Wellen durchqueren musste, waren extrem anstrengend. Dabei segelte er zeitweilig ohne jedes Vorsegel und nur mit dreifach gerefften Groß, das dann zum Schluss auch noch einriss.
Es passte zu seinem Pech, dass er am Donnerstag 15 Stunden warten musste, um in den Hafen einlaufen zu können. In den letzten Tagen verhinderten meterhohe Wellen, dass der über einen kurzen Kanal zu erreichende Hafen von Les Sables-d'Olonne angelaufen werde konnte.
Für die bei der Vendée Globe verwendeten Boote vom Typ Imoca mit mehr als vier Meter Tiefgang ist dies dort nur bei Hochwasser möglich. Die Elfte im Ziel, die Französin Clarice Cremer, musste nach dem Zieldurchgang sogar nach La Rochelle weitersegeln.
Hauptsache, sicher ankommen
Zwölf Stunden nach Herrmann wurde die Britin Samantha Davies 13. und damit drittschnellste Frau im Ziel. Sie durfte direkt nach Herrmann in den Kanal einfahren. Er hatte sie vor einigen Tagen noch überholt, als sie bei einem Sturm zur Sicherheit abgedreht war. Für Herrmann und Davies war es in den letzten Tagen nur noch darum gegangen, sicher anzukommen.
Das allein ist in der Tat schon eine große Leistung, abgesehen davon, dass der Letztplatzierte immer noch 5.500 Seemeilen vom Ziel entfernt ist und sechs Skipper bisher aufgeben mussten. Die Strapazen für Segler wie das Material sind bei dieser Regatta extrem.
Nicht nur an dem um neun Tage verbesserten Streckenrekord wurde deutlich, dass das Niveau bei dieser Ausgabe weiter gestiegen ist. Auch Herrmann fühlte sich dank seines inzwischen auf 40 Personen angewachsenen Teams besser vorbereitet und hatte nach eigenen Angaben auch ein schnelleres und besseres Boot. Er hatte es besonders für die harten Bedingungen im Südmeer bauen lassen. Sie waren dann aber nicht so extrem wie beim letzten Mal, so dass er die erwarteten Vorteile nicht voll ausspielen konnte.
Sein jetziges Boot hatte Herrmann, der in der deutschen Öffentlichkeit durch sein Mitsegelangebot für Greta Thunberg über den Atlantik im Jahr 2019 bekannt wurde, schon vor dem Rennen verkauft und sich auf einer französischen Spezialwerft einen Slot für einen Neubau gesichert. Sollte er es sich nicht doch noch anders überlegen, ist in vier Jahren wieder mit ihm zu rechnen.
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