Solartechnik in der Sahara: Afrikas Sonnenstrom exklusiv

Das Megasolarprojekt Desertec behindert den Ausbau der Energieversorgung in Afrika, so fürchten Experten. Vor allem die Menschen auf dem Land würden ohne Strom bleiben.

Ein Solarkraftwerk in der Wüste Kalifoniens. Vorbild für die Sahara? Bild: ap

Gigantisch, praktisch, gut? Dank einer 400 Milliarden Euro teuren Investition will das neu gegründete Desertec-Konsortium Solarstrom in der Sahara produzieren lassen. Damit würde ein gigantisches Netzsystem aufgebaut, um ähnlich wie bei Kohle- und Atomkraftwerken Energie zentral zu produzieren.

Das Problem: Damit könnte der Ausbau hin zu dezentralen Anlagen behindert werden, wenn sich diese wegen der großen Netzstrukturen wirtschaftlich nicht mehr rechnen. Dabei hatte sich dieser Trend - das zeigen neue Daten - gerade erst entwickelt.

"Man darf den Fokus nicht zu sehr auf Großprojekte wie Desertec richten. Sonst kann es passieren, dass man die Kleinlösungen übersieht, weil die großen Leitungen bereits zu günstig geworden sind", warnt der Sozialwissenschaftler und Geologe Thorsten Euler von der Uni Gießen. In seiner Diplomarbeit befasst er sich mit solaren Energien in Afrika. "Es wird viele Projekte geben, die durch den Boom im Bau von Großleitungen auf der Strecke bleiben werden", sagt er.

Euler hat festgestellt, dass viele kleine Initiativen - vor allem im Süden Afrikas - Ideen für dezentrale Projekte haben, die nationalen Pläne aber oftmals eine große Kraftwerkslösung vorsehen. Werde ein großes Kohlekraftwerk gebaut, so sagt Euler, sei Fotovoltaik oft nicht mehr rentabel. Die Umweltorganisation Germanwatch bewertet zwar grundsätzlich die Idee von Desertec positiv, um die Umstellung auf erneuerbare Energien voranzutreiben. Energieexpertin Anne Koch aber mahnt: "Gleichzeitig müssen wir als Nichtregierungsorganisation darauf hinwirken, dass nicht nur die großen zentralen Anlagen gebaut werden."

Denn die Entwicklung bei den dezentralen Anlagen geht eigentlich gerade erst so richtig los. "In den letzten ein, zwei Jahren hat das Interesse sehr zugenommen", sagt Noara Kebir von Micro Energy International (ME). Seit 2002 kooperiert das Berliner Unternehmen die Zusammenarbeit von Energiefirmen und Mikrokreditinstituten.

Etwa 1,4 Milliarden Menschen haben derzeit keinen Zugang zu Elektrizität. "Für ein Drittel davon könnte Solarenergie eine Lösung sein, wenn es Wege gäbe, das zu finanzieren", sagt Kebir. Dieses Drittel lebt in ländlichen Regionen fernab von Stromnetzen. Die anderen zwei Drittel sind von Netzen umgeben, an diese aber nicht angeschlossen. Also müsse nicht nur das Netz ausgebaut, sondern auch dessen Nutzung verbessert werden.

Dass sich bei den erneuerbaren Energien viel tut, bestätigt auch Kirsten Westphal, Energieexpertin von der Stiftung Wissenschaft und Politik: "Schaut man mal im Bereich der Weltbank oder der KfW-Bank, sieht man, dass sich die Kreditlinien verändert haben." Die KfW-Entwicklungsbank hat nach eigenen Angaben im Jahr 2007 Zusagen für die Finanzierung von Energiesparmaßnahmen und erneuerbaren Energien in Höhe von 514 Millionen Euro gegeben. Im Jahr darauf waren es bereits 672 Millionen Euro. In Ägypten wurde etwa der Windpark Zaferana finanziert. Marokko erhielt Geld für Fotovoltaikanlagen.

Die Kosten für ein sogenanntes Solar Home System sind von Land zu Land unterschiedlich. Eine Standardanlage, die einen Haushalt mit etwa vier bis sechs Lampen, einen kleinen Fernseher, ein Radio und eventuell noch ein Handy versorgen, kostet zwischen 300 und 700 Euro. Ein Kredit dafür lässt sich durch die eingesparten Stromkosten zurückzahlen.

Mit den 400 Milliarden Euro, die in das Desertec-Projekt fließen, ließe sich viel machen, sagt Experte Euler: "Man könnte zumindest die afrikanischen Energieprobleme viel besser lösen, wenn man das Geld dezentral auf dem Kontinent einsetzen würde." Doch Kebir von Micro Energy International sagt: "Zwischen Desertec und dem, was wir machen, liegen viele, viele Dimensionen."

Im großen Maßstab produzierter Solarstrom müsse in den ans Netz angeschlossenen Großstädten genutzt werden, für die ländlichen Räume kämen eher dezentrale Lösungen infrage. Kebir meint zudem: "Wenn die beteiligten Akteure nicht in Desertec investieren würden, würden sie die 400 Milliarden Euro nicht in dezentrale Energiesysteme in Afrika stecken."

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