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So viel Kritik muss sein: Benno Schirrmeister über „Der Zinnsoldat“ in der Shakespeare CompanyEin Trauerfall in Bremens Theaterszene

Schlimm wird es, wenn zur Corona­krise auch eine künstlerische tritt. Die ist in dramatischer Weise bei der Produktion „Der Zinnsoldat“ der Shakespeare Company zu beobachten: Die Uraufführung dieses „Capriccio mit Musik“ wurde am Donnerstag ... – ja, wie soll man das jetzt nennen?

Feiern passt nicht, absolvieren ist zu nüchtern. Es muss ein Begräbnis-Partizip wie „begangen“ her, denn der Abend weckt noch nicht einmal das Böse im Rezensenten, die Lust am Verriss. Da sind nur Furcht und Mitleid, und das eben nicht wie bei Lessing als vom Drama eingeflößte Empfindungen, sondern auf den Rahmen bezogen: Man hat doch auch schöne Stunden in diesem Theater verbracht! Das sind doch nette Leute, und sie machen wichtige Projekte! Wie schlecht muss es um sie stehen, wenn sie sich hier mit einem von Manfred Schiffers zusammengeklebten Text, dessen Beitrag zur Geschichte des Humors darin besteht, dem schon in den 1960er-Jahren abgedroschenen Witz mit dem Namen „Anders“ eine tragende Rolle zuzuschreiben, sozusagen selbst entleiben?

Der verquaste Plot besteht darin, dass Michael Meyer, der die Idee zur Veranstaltung hatte, als Zinnsoldat Jahrzehnte nach beider Liebestod auf Katharina Hoffmann als Wiedergängerin der Tänzerin trifft: Er hat jetzt zwei Beine und spielt inzwischen Kontrabass, sie Klavier und hat mit dem Ballett aufgehört (in der Vorstellung von Schiffers muss das so, wegen des Alters). Die beste Szene ist, wie Meyer sich mit seinem mannsgroßen Instrument durch die Zimmertür mitten auf der Bühne ins von Ausstatterin Melanie Kuhl hübsch angedeutete Biedermeier-Dekor zwängt.

Gerahmt wird die Handlung durch eine lahme Vertonung des fälschlich Frederike Kempner zugeschriebenen Gedichts „Wenn der holde Frühling lenzt“, eine misogyne Parodie, die Hoffmann vorträgt. Dazwischen liegen 75 Minuten erbitterter Witzigkeit und wenig motivierten Gesangs, die sprachlos machen. Und traurig.

Weitere Aufführungen: So, 18. 10., 18 Uhr; Do, 22. 10., und Sa, 31. 10., 19.30 Uhr

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