Slowenischer Ministerpräsident Cerar: Überraschender Rücktritt
Nur wenige Monate vor den regulären Wahlen verlässt Miro Cerar sein Amt. Der unerwartete Schritt erspart dem Politiker schwierige Entscheidungen.
Cerar hatte seinen völlig überraschenden Schritt am Mittwochabend angekündigt. Hintergrund ist eine Entscheidung des Obersten Gerichts Sloweniens, ein im vergangenen Jahr abgehaltenes Referendum über ein rund eine Milliarde Euro teures Eisenbahnprojekt zu annullieren. Die neue Bahnlinie war ein Vorzeigeprojekt von Cerars Regierung, wegen hoher Begleitkosten und Korruptionsvorwürfen jedoch sehr umstritten.
Bis zur Bildung eines neuen Kabinetts wolle er kommissarisch im Amt bleiben, sagte der 54 Jahre alte Mitte-Links-Politiker der von ihm gegründeten Partei SMC. Regulär steht die nächste Parlamentswahl im Juni an. Präsident Pahor erklärte, dass er nun jedoch eine vorgezogene Wahl Mitte Mai erwarte.
Seine Koalitionspartner, die konservative Rentnerpartei und die Sozialdemokraten, hatte Cerar nicht im Voraus über seinen Rücktritt informiert. Beobachter werteten das als Beleg für Probleme innerhalb der Koalition. Andraz Zorko, Experte beim Wahlforschungsinstitut Valicon, rechnete damit, dass Cerars Rücktritt die Chancen der SMC bei der Wahl verbessere, da die derzeitige Regierung unbeliebt sei.
In den vergangenen Monaten sah sich Cerar mit schwierigen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst konfrontiert, die nach Angaben der Gewerkschaftsverbände kurz vor dem Abschluss standen. Mehrere Gewerkschaften sehen sich nun ihres Verhandlungspartners beraubt und erklärten gegenüber der Nachrichtenagentur STA, dass den Beschäftigten durch die mögliche Verzögerung aufgrund der Regierungsneubildung bis zu 266 Millionen Euro entgehen könnten. Die beiden Polizeigewerkschaften äußerten entsprechend Unverständnis und bezeichneten den Schritt als „Flucht vor der Realität“ und „einigermaßen unverantwortlich“.
Ebenso umgeht Cerar mit dem Rücktritt, seine Unterschrift unter den unpopulären Verkauf zweier Banken im Staatsbesitz setzen zu müssen. Die Lösung eines Konfliktes um die Seegrenze mit Kroatien ist genauso vertagt und wird in die Verantwortung der nächsten Regierung fallen.
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