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Slow-Foodlerin über Landwirtschaft„Näher an der besseren Fleischwelt“

Was tun gegen fallende Preise? Die Vorsitzende der Slow-Food-Bewegung, Ursula Hudson, spricht über Alternativen zum Fleischmindestpreis.

Wie viel soll eine Schweinehaxe kosten? Foto: AP
Sara Mierzwa
Interview von Sara Mierzwa

taz: Frau Hudson, was sollte ein Grillwürstchen kosten?

Ursula Hudson: Es kann keinen Mindestpreis für Fleisch geben. Die Erzeuger- und Folgekosten der Fleischherstellung müssen in den Endpreis eingerechnet werden. Dazu gehören auch die verursachten Umweltschäden. Daraus ergibt sich dann ein realer Preis. Der müsste von den Konsumenten bezahlt werden.

Könnte ein Mindestpreis also keine höhere Fleischqualität garantieren?

Nein. Das bedeutet, nur an einem kleinen Schräubchen zu drehen. Das System muss verändert werden. So eine Schnellmaßnahme bringt langfristig nichts. Sie hilft nur im Moment finanziell den Bauern. Für die Tiere wird die Situation mit einem Mindestpreis nicht besser. Und die Landwirte bleiben auch in dem System hängen. Sie müssen immer größere Betriebe haben, um zu überleben.

Gilt das Gleiche für die Milchindustrie?

Auch da haben wir eine Preisspirale nach unten erlebt und immer größer werdende Betriebe. Bei Milch ist die Direktabgabe am Hof noch schwieriger als bei Fleisch.

Welche Stellschrauben hat die Politik überhaupt?

Wir müssen weg von einer exportorientierten Massentierhaltung. Tiere sind keine Schrauben, die wie Waren durch die Gegend gefahren werden können. Stattdessen brauchen wir eine bodengebundene Tierhaltung in einer Kreislaufwirtschaft. Das heißt, ein Hof kann nur so viele Tiere halten, wie er auch mit eigenem Futter ernähren kann. An Schulen sollte Verbraucherbildung als Fach eingeführt werden. Es sollte Gärten und Küchen für Schüler geben. Das dürfen wir bei der Digitalisierung nicht aus dem Auge verlieren: Handys können uns nicht ernähren. Für eine gute Lösung müssten sich nach dem Stakeholder-Prinzip alle Betroffenen an einen Tisch setzen und aushandeln, wie langfristig die Tierhaltung und Fleischherstellung in Deutschland aussieht.

Im Interview: Ursula Hudson

ist Vorsitzende der deutschen Slow-Food-Bewegung. Sie forscht zur Kultur des Essens und isst selbst gerne gutes Fleisch.

Was kann der Verbraucher tun?

Wir müssen auch anfangen, das ganze Tier zu verwerten. Zum Bewusstseinswandel gehört zum Beispiel, wieder zu entdecken, dass Schultern, Innereien oder Haxen lecker zubereitet werden können. Die Menschen müssen aufgeklärt werden, dass wir weniger Fleisch essen und das ganze Tier verwerten müssen, wenn wir eine ethisch korrekte Tierhaltung und eine gute Fleischqualität wollen.

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4 Kommentare

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  • Wo genau liegt denn das Problem? Ich denke doch am ehesten bei den Landwirtschaftssubventionen - die nach Fläche verteilt werden.

    Wer hindert denn EU und Bundesregierung daran, auf Unterstützung pro Beschäftigtem umzustellen? Bestechend an diesem Gedanken wäre zudem, daß personalintensive Biolandwirtschaft und kleinere Bauern besser unterstützt werden.

  • "Zum Bewusstseinswandel gehört zum Beispiel, wieder zu entdecken, dass Schultern, Innereien oder Haxen lecker zubereitet werden können."

     

    Dazu müsste man ja fast Kochen lernen. Dann sollte aber auf jeden Fall noch eine Herdprämie in den Fleischpreis eingerechnet werden.

  • Also sollen Schweine mit ihrem Leben dafür bezahlen, dass ökokapitalistische Gutmenschen sich via CO2-neutralem Schnitzel gutfühlen können?

     

    Es gibt keine Alternative zum Fleischverbot.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Weg von der Exportorientierung? Ein Wurst-Käs-Szenario für den Kakapipitalismus!